Brasilien – zu trocken, zu nass
Anhaltende Dürren und verheerende Überschwemmungen setzen dem Land zunehmend zu
© [M] Munich Re [P1] David Fortney / Getty Images
Von Karsten Steinmetz, Chief Executive Officer Munich Re do Brasil
 
Das Gastgeberland der COP 30 ist das größte Land Südamerikas und zählt mit einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von rund 2,13 Billionen US-Dollar zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt. Rund 212 Millionen Menschen leben in Brasilien, davon 88 Prozent in städtischen Gebieten. Die Wirtschaft wächst trotz globaler Unsicherheiten weiter, obwohl der Klimawandel das Land erkennbar plagt.

Tobias Grimm, Klimaexperte bei Munich Re, erklärt:
„In Brasilien zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels wie unter einem Brennglas. Die Hitze nimmt zu, Dürren werden häufiger, auf Starkregen folgen Überschwemmungen. Dieses Wechselspiel zwischen Dürre und Starkregen wird zur neuen Realität. Wer jetzt keine Vorsorge trifft, riskiert, Mensch und Natur in die Knie zu zwingen.“

Die Vereinten Nationen unterstreichen die Bedeutung dieses bevölkerungsreichen Schwellenlandes für den globalen Klimaschutz: „Brasiliens riesiger Regenwald und seine vielfältigen Ökosysteme sind von grundlegender Bedeutung für die Gesundheit des Planeten“, heißt es in einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.

Die anhaltende Abholzung des Amazonasgebiets und der feuchten Savannen – der Cerrados – im Südosten des Landesinneren gefährdet jedoch die Gesundheit der Umwelt. Dies hat weitreichende Folgen für die Wasserversorgung des Landes: In den gerodeten Gebieten steigen die Temperaturen, der Boden wird rissig und speichert weniger Wasser. Dies verändert den nationalen Wasserkreislauf, da der Regenwald sehr viel Feuchtigkeit speichert, die in Trockenperioden wieder verdunsten kann. Es bilden sich große Regengebiete – sogenannte „fliegende Flüsse“ –, die Niederschläge weit in die Mitte und den Süden ganz Südamerikas transportieren. Diese Regenfälle sind eine wichtige Wasserquelle für die Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro.

Ein zerstörerisches Duo – Dürre und Überschwemmungen

Luftaufnahme der Überschwemmungen in Rio Grande do Sul 2024

Menschliche Eingriffe und der Einfluss des Klimawandels bringen die Natur zunehmend aus dem Gleichgewicht. Negative Rekorde sprechen für sich: Im Jahr 2024 erlebte der südlichste Bundesstaat Rio Grande do Sul zwischen Ende April und Anfang Mai die schlimmsten Überschwemmungen in Brasilien seit Jahrzehnten. An manchen Orten fielen innerhalb weniger Tage rund 500 Millimeter Niederschlag. Mehr als zwei Millionen Menschen waren von der Katastrophe betroffen, 200 kamen ums Leben. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf rund 15 Mrd. US$ (inflationsbereinigt) geschätzt, von denen weniger als 1 Mrd. US$ versichert war.

Fast zeitgleich herrschte weiter im Norden eine monatelange Dürre, von der zeitweise etwa 60 Prozent Brasiliens betroffen waren. Das verursachte ebenfalls Schäden in Milliardenhöhe, und Ernteausfälle trafen auch den globalen Markt.

Ausgetrocknetes Ufer am Amazonas während der Dürre 2024

Brasilien ist der größte Produzent der Kaffeesorte Arabica. Durch die Dürre in Brasilien – und auf der anderen Seite des Globus in Vietnam – verdoppelten sich die Kaffeepreise in etwa im Laufe des Jahres 2024.

Der hohe Anteil der Landwirtschaft von 6,5 Prozent der brasilianischen Wirtschaftsleistung macht das Land besonders anfällig für die Auswirkungen extremer Wetterereignisse. Hochwasser und Dürren zerstören Ernten. Das Risiko von Dürren besteht im gesamten Land, während das Überschwemmungsrisiko im Südosten am höchsten ist. Auch die Energieversorgung leidet unter den Extremen. Brasilien ist sehr wasserreich und verfügt über 12 Prozent der weltweiten Süßwasserreserven. 60 Prozent des Stroms des Landes werden in Wasserkraftwerken erzeugt. Die Wasserreserven nehmen jedoch stetig ab.

Tobias Grimm ordnet die durch Wetterextreme verursachten wirtschaftlichen Verluste ein:
„Seit 1980 haben Naturkatastrophen in Brasilien – ohne die schwer quantifizierbaren Dürreverluste – inflationsbereinigt wirtschaftliche Schäden in Höhe von rund 43 Mrd. US$ verursacht. Nur etwas mehr als 5% davon waren versichert“, erklärt er.
„Die Versicherungslücke hat sich seitdem nur geringfügig verringert. Mehr als 80% der Gesamtverluste wurden durch Überschwemmungen verursacht – während Dürren ebenfalls regelmäßig Schäden in Milliardenhöhe verursachen.“

In Brasilien steigen die Temperaturen schneller als im globalen Durchschnitt – seit 1950 im Schnitt um 0,17°C pro Dekade. Seit den 1970er Jahren hat sich dieser Trend auf 0,27°C pro Jahrzehnt beschleunigt. Die Zahl der Hitzetage steigt. Das setzt einen unseligen Kreiskauf in Gang: Höhere Temperaturen führen zu einer stärkeren Verdunstung, was längere Trockenperioden, aber auch stärkere Niederschläge zur Folge hat. Studien zu den Extremereignissen des Jahres 2024 ergaben, dass der Klimawandel solche Ereignisse deutlich wahrscheinlicher und intensiver gemacht hat.

Aufgrund seiner Größe, geografischen Lage und Topografie erstreckt sich Brasilien über mehrere Klimazonen. Der Äquator verläuft durch den Norden, wodurch der größte Teil des Landes ein tropisches Klima aufweist; der Süden ist subtropisch bis gemäßigt. Im gesamten Land hat das ENSO-Klimamuster (El Niño/Southern Oscillation) im Pazifik – mit seinen zwei gegensätzlichen Phasen El Niño und La Niña – einen starken Einfluss auf Wetterextreme, und zwar auf sehr unterschiedliche Weise. El-Niño-Phasen wie im Jahr 2024 verstärken tendenziell die Niederschläge im Süden Brasiliens und verschärfen die Dürren im Norden.

Während La-Niña-Phasen kehrt sich das Muster um: Der Süden ist einem höheren Dürrerisiko ausgesetzt, während der Norden mehr Niederschläge erhält. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die ENSO-Schwankung zu La-Niña-Bedingungen verschoben hat, die voraussichtlich bis Dezember 2025 und Februar 2026 anhalten werden.

ENSO ist die Klimaschwankung mit dem stärksten Einfluss auf Wetterextreme in vielen Teilen der Welt, wobei ihre Auswirkungen durch den Klimawandel zunehmend verstärkt werden.

Der Klimawandel erfordert neue Strategien

Brasilien steht unter zunehmendem Druck, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Während der Süden des Landes wiederholt von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht wird, trocknen Dürren das Land und seine Menschen aus. Umfassende Anpassungsmaßnahmen sind dringend erforderlich. Die jüngsten Flutkatastrophen unterstreichen die Notwendigkeit eines verbesserten Hochwassermanagements. Schutzinfrastrukturen wie Dämme, Rückhaltebecken und flexible Überschwemmungsgebiete könnten viele Schäden verhindern. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die meisten Schäden durch Naturkatastrophen in Brasilien, wie beschrieben, nach wie vor nicht versichert sind.

Versicherungslücke – ein Risiko mit Folgen

Die Versicherungslücke hat schwerwiegende Folgen: Die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, ihr Leben wieder aufzubauen. Menschen in benachteiligten Gemeinden, den Favelas – rund 8,1 Prozent der brasilianischen Bevölkerung – sind besonders stark von Naturgefahren bedroht. Unternehmen stehen vor dem Ruin, und der Staat muss mit kostspieligen Wiederaufbauhilfen einspringen. Experten fordern daher eine stärkere Verbreitung von Naturkatastrophenversicherungen und staatliche Anreize, um die Prämien erschwinglicher zu machen.

Es sind neue Ansätze erforderlich, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturkatastrophen zu stärken. Experten befürworten staatliche Anreize – wie Subventionen oder Mikroversicherungsmodelle –, um den Versicherungsschutz erschwinglicher zu machen. Auch eine Pflichtversicherung gegen bestimmte Risiken wird diskutiert, wie sie bereits in anderen Ländern in Betracht gezogen wird. Internationale Kooperationen, beispielsweise mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und der Förderbank KfW, unterstützen Brasilien beim Aufbau von Risikomanagementsystemen und der Entwicklung nachhaltiger Finanzierungsmechanismen.

Die Versicherungslücke bleibt ein zentrales Thema für die Zukunft Brasiliens – nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht. Denn wer nicht versichert ist, muss im Katastrophenfall oft auf sich allein gestellt zurechtkommen.

Munich Re stärkt die Klimaresilienz in Brasilien

Tobias Grimm ist überzeugt:
„Brasilien steht vor der Herausforderung, sowohl kurzfristige Schutzmaßnahmen als auch langfristige Strategien zu entwickeln – für ein Land, das zwischen Überschwemmungen und Dürren hin- und hergerissen ist.“

Mit ihrer Finanzstärke und verlässlichen Kapazität steht Munich Re als Partner bereit, um die Versicherungslücke für Naturkatastrophen in Brasilien zu verringern. Der Rückversicherer analysiert seit über fünf Jahrzehnten die Auswirkungen des Klimawandels auf Naturgefahren – ein Kerngeschäft, das auf marktführender Risikoexpertise basiert. Nach den schweren Überschwemmungen im Jahr 2024 in Brasilien entwickelte Munich Re eine lokalisierte Risikobewertung, die Schwachstellen präziser erfasst und eine risikoadäquate Preisgestaltung ermöglicht. So können Versicherungslösungen gezielt und zuverlässig angeboten werden.

Parametrische Deckungen eignen sich besonders für einen einfachen und bezahlbaren Schutz. Sie zahlen automatisch aus, sobald festgelegte Schwellenwerte – beispielsweise Niederschlagsmenge, Windgeschwindigkeit oder Dürredauer – überschritten werden. Dieses Prinzip wird auch in internationalen Katastrophenpools angewendet.

Ein Beispiel hierfür ist die Caribbean Catastrophe Risk Insurance Facility (CCRIF), über die 23 Länder in der Karibik und Mittelamerika seit 2007 nach 78 Ereignissen insgesamt 390 Millionen US-Dollar erhalten haben. Munich Re ist einer der Hauptrisikoträger in diesem Pool.

Nach dem verheerenden Landfall des Hurrikans „Melissa“ in Jamaika kündigte die CCRIF an, dass sie eine Zahlung in Höhe von 70,8 Millionen US-Dollar an die jamaikanische Regierung leisten werde. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Regierung eine zweite Zahlung von der CCRIF im Rahmen ihrer Police für übermäßige Niederschläge erhält. Jamaika war Gründungsmitglied der CCRIF bei ihrer Gründung im Jahr 2007.

Experten

Karsten Steinmetz
Karsten Steinmetz
CEO Munich Re do Brasil
Tobias Grimm
Tobias Grimm
Chief Climate Scientist

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