Wetterkatastrophen
Unwetter nagen am Wohlstand – Wetterkatastrophen belasten viele Industrieländer zunehmend
Prävention zahlt sich aus
© Pro Studio / Adobe Stock

Wetterkatastrophen kosten die größten Volkswirtschaften der Welt immer mehr Geld – und damit Wohlstand. Eine aktuelle Analyse von Munich Re zeigt: In acht der zehn größten Industrieländer sind die Schäden durch Naturkatastrophen gemessen am Bruttonationaleinkommen (Gross National Income – GNI) heute deutlich höher als in den 1980er Jahren. Besonders hoch waren sie im Schnitt der vergangenen fünf Jahre in den USA, Deutschland und Indien.

Die Analyse wurde im Vorfeld des Klimagipfels COP 30 in Brasilien veröffentlicht und verdeutlicht, wie Wetterextreme die wirtschaftliche Substanz selbst der größten Industriestaaten angreifen.

In acht der zehn Länder überstiegen im Schnitt der vergangenen fünf Jahre die durchschnittlichen Unwetterschäden im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen deutlich die von 1980-1989. In fünf Ländern – den USA, Deutschland, Kanada, Italien und Frankreich – ist ein eindeutiger Anstieg der wetterbedingten Schäden erkennbar. In drei weiteren Ländern – Indien, Japan und Brasilien – ist  der Trend auch zu sehen, wenn auch nicht so ausgeprägt.

Tobias Grimm
Reiches Land, armes Land – der Klimawandel unterscheidet nicht. Wetterkatastrophen zerstören auf der ganzen Welt Leben, Lebensgrundlagen und wirtschaftliche Werte. Es wäre sinnvoller, viel mehr Geld in Prävention zu investieren als nach Katastrophen Milliarden in den Wiederaufbau stecken zu müssen. Das gilt für reichere ebenso wie für finanzschwächere Länder.
Tobias Grimm
Chief Climate Scientist
Munich Re

Die höchsten Schäden gemessen an der Wirtschaftsleistung im Schnitt der vergangenen fünf Jahre ergaben sich für die USA (0,54 % des Bruttonationaleinkommens), Deutschland (0,29 %) und Indien (0,28 %). In Milliarden US-Dollar waren dies beispielsweise im Schnitt von 2020-2025 pro Jahr (inflationsbereinigt) 150 Mrd. US$ in den USA, 14 Mrd. US$ in Deutschland und 9 Mrd. US$ in Indien.

Die deutlichste Steigerung der gewichteten Schäden war ebenfalls in den USA sichtbar, wo die Schäden gemessen am Bruttonationaleinkommen von Dekade zu Dekade ständig stark zunahmen – auf etwa das Fünffache im Vergleich zur Dekade 1980-1989. Eine ähnliche starke Steigerung gab es in Deutschland, nicht zuletzt wegen der Milliardenschäden durch das Ahrtal-Hochwasser im Jahr 2021.

Die festgestellten Anteile der Schäden am Bruttonationaleinkommen sind auf den ersten Blick gering. In den von Katastrophen betroffenen Regionen sind sie allerdings um ein Vielfaches höher, und sie zehren zudem einen spürbaren, vielfach zunehmenden Anteil der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes auf.

Dabei ist der Wert von mehr Prävention eindeutig: Studien1,2 gehen davon aus, dass jeder US-Dollar an Investitionen in Prävention bis zu 10 US$ oder noch mehr an Schäden oder indirekten Katastrophenfolgen verhindert. 

Tobias Grimm erklärt: „Bei einigen Ländern werden die Schadendaten durch Einzelereignisse der vergangenen Jahre besonders beeinflusst. Stichwort Ahrtal-Flut in Deutschland 2021 oder die stärksten Hochwasser in Brasilien seit Jahrzehnten im Jahr 2024. Viele dieser Ausreißer-Ereignisse haben gemeinsam, dass Studien bei ihnen einen deutlichen Einfluss des Klimawandels belegen Sie werden häufiger und stärker.“

In der Auswertung wird auch deutlich, wie Prävention wirken kann, zum Beispiel Hochwasserschutz in China. Dort sind die durchschnittlichen Schäden seit den 90er Jahren gemessen am Bruttoinlandsprodukt deutlich gesunken. Zwar gab es erneut regelmäßig Milliardenschäden durch Hochwasser, aber sie stiegen gemessen an der Wirtschaftsleistung nicht mehr weiter an.

In die Analyse flossen Schadendaten des Munich Re NatCatSERVICE seit 1980 ein, die mit dem Bruttonationaleinkommen des jeweiligen Jahres gewichtet wurden. Das ermöglicht einen genaueren Blick darauf, wie stark die verschiedenen Länder gemessen an ihrer Wirtschaftskraft durch Schäden aus Wetterkatastrophen belastet werden. Die grobe Näherung soll sowohl die Relevanz der Naturkatastrophen für ein Land in finanzieller Hinsicht abbilden als auch den Zuwachs exponierter Werte über die Zeit in gewissem Umfang ausgleichen. 

Die Ergebnisse für die zehn größten Industrienationen im Einzelnen:

Neben den USA sind auch in Kanada die Wetterkatastrophen-Schäden gemessen am Bruttonationaleinkommen deutlich angestiegen.

In Kanada lag der Durchschnitt der gewichteten Schäden in den vergangenen 5 Jahren um mehr als das Vierfache über dem Dekaden-Durchschnitt 1980-1989. Der höchste Anteil der wetterbedingten Schäden (inflationsbereinigt) seit 1980 entfiel auf Schwergewitter (34 %), gefolgt von Hochwasser und Waldbränden. Auch die höchsten Schäden der vergangenen 5 Jahre entfielen auf diese Naturgefahren. Über den gesamten Zeitraum betrachtet war knapp die Hälfte der Schäden nicht versichert (46%). Bis heute ging die Versicherungslücke weiter zurück.

In den USA dominieren nach wie vor die Schäden durch tropische Wirbelstürme (1980-2024: 51 % der Gesamtschäden, inflationsbereinigt), gefolgt von Schwergewittern (27 %). Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre lag der Anteil der Schäden durch Schwergewitter aber bereits bei rund einem Drittel. Für die USA gilt ähnlich für die weltweite Betrachtung: Spitzenrisiken („Peak Perils“) wie tropische Wirbelstürme oder Erdbeben verursachen die extremen Schäden, aber so genannte „Non-Peak Perils“ mit vermeintlich kleineren Naturkatastrophen wie Hochwasser, Schwergewitter mit Hagel oder Waldbränden bestimmen den Trend. Und der geht nach oben, auch getrieben durch den Klimawandel, wie viele Studien belegen. Die Versicherungslücke in den USA lag wie in Kanada bei unter 50 %. Besonders bei Schwergewittern und Waldbränden ist der versicherte Schadenanteil sehr hoch und erreicht oft Werte von etwa zwei Dritteln der verursachten Schäden.

Deutliche Zunahmen der gewichteten Schäden gab es in Deutschland und Italien.

In Deutschland überlagerte das Ahrtal-Hochwasser 2021 – mit mehr als 42 Mrd. US$ die bisher schadenträchtigste Hochwasserkatastrophe weltweit – den ohnehin sichtbaren Trend nach oben. Über den gesamten Zeitraum betrachtet entfielen etwa die Hälfte der Schäden (inflationsbereinigt) auf Hochwasserkatastrophen, gefolgt von Schwergewittern mit rund einem Viertel. Wegen der relativ geringen Versicherungsdichte gegen Hochwasserschäden lag die Versicherungslücke bei rund 54 % und veränderte sich über die Zeit trotz der wachsenden Versicherungsdichte gegen Hochwasserschäden noch nicht spürbar. Bereinigt um Hochwasserschäden waren über den gesamten Zeitraum rund 37 % der Schäden durch Wetterkatastrophen nicht versichert. In den vergangenen fünf Jahren betrug diese Versicherungslücke im Schnitt rund ein Drittel. 

In Italien waren über den gesamten Zeitraum betrachtet Hochwasserereignisse für rund zwei Drittel der inflationsbereinigten Schäden durch Wetterkatastrophen verantwortlich, Schwergewitter mit Hagel für etwa ein Fünftel. Dieses Verhältnis hat sich gedreht: In den vergangenen fünf Jahren entfielen im Schnitt noch die Hälfte der wetterbedingten Schäden auf Hochwasser, bereits deutlich mehr als 40% auf Schwergewitter. Norditalien gilt als die Region in Europa, in der getrieben durch den Klimawandel schwere Hagelschläge besonders stark zunehmen.
Die Versicherungslücke in Italien bei Wetterkatastrophen war hoch – zwischen 1980 und 2024 waren im Schnitt 86 % der Schäden nicht versichert. In den vergangenen Jahren hat sich die Versicherungslücke auf etwa zwei Drittel der Schäden verringert.

In Frankreich entfielen von 1980-2024 rund 44 % der wetterbedingten inflationsbereinigten Schäden auf Winterstürme, gefolgt von Hochwasser (25 %). Einige dieser starken Winterstürme in den 90er Jahren sind für die hohen gewichteten Schäden in den 90er Jahren verantwortlich. Abgesehen davon ist ein Trend nach oben sichtbar.
In den vergangenen fünf Jahren dagegen entfiel der Hauptteil der Schäden auf Schwergewitter (38 %), bei deren Zunahme die Wissenschaft von einem Einfluss des Klimawandels ausgeht. Wie Norditalien gilt auch der Süden Frankreichs als eine Region, in der das Risiko schwerer Hagelschläge mit hohem Schadenpotenzial zunimmt. Knapp die Hälfte der Schäden in Frankreich seit 1980 war versichert.

Einziges Land unter den größten europäischen Volkswirtschaften mit einem rückläufigen Trend bei den gewichteten Wetterschäden war Großbritannien. Dort machten Winterstürme seit 1980 rund 52 % der Gesamtschäden (inflationsbereinigt) aus, gefolgt von Überschwemmungen mit knapp einem Drittel. Zwei Winterstürme in den 80er und 90er-Jahren gehörten auch zu den teuersten Naturkatastrophen des Landes und trieben die gewichteten Schäden in gleich zwei Dekaden. Seit den 2000er Jahren gab es derartige Stürme in Europa nicht mehr so häufig. Zudem dürfte zunehmender Hochwasserschutz eine Rolle spielen. Der Großraum London zum Beispiel ist seit Mitte der 80er Jahre durch die Thames Barrier vor Sturmfluten geschützt.

China ist die einzige der zehn größten Industrienationen, in der die Schäden durch Wetterkatastrophen gemessen an der Wirtschaftsleistung in der Betrachtungsperiode zurückgegangen sind.
China ist in vielen Regionen stark hochwassergefährdet. Seit 1980 entfielen rund 60 % der inflationsbereinigten Schäden durch Wetterkatastrophen auf Hochwasser. In den 90-er Jahren ereigneten sich immer wieder Hochwasserkatastrophen mit zweistelligen Milliardenschäden (inflationsbereinigt). Die Hochwasserkatastrophe am Jangtse 1998 war mit inflationsbereinigt 32,5 Mrd. US$ eines der teuersten Überschwemmungsereignisse weltweit.
Seitdem ist Chinas Wirtschaft extrem stark gewachsen, viele Ballungsräume vielfach entlang der Flüsse expandierten enorm. Das Land hat stark in Hochwasserschutz investiert, unter anderem mit dem Anfang der 2000er Jahre errichteten Drei-Schluchten-Damm am Jangtse. Die Kombination dieser Faktoren – enorm starkes Wirtschaftswachstum und Investitionen in Hochwasserschutz – dürften zu den sinkenden gewichteten Schäden seit den frühen 2000er Jahren beigetragen haben, trotz weiterer Milliardenschäden durch Hochwasser. Die Versicherungslücke in China ist weiterhin sehr hoch – mehr als 90% der Schäden waren auch im Schnitt der vergangenen fünf Jahre nicht versichert.

Japan gilt als eines der am stärksten durch Naturkatastrophen gefährdeten Länder der Welt, insbesondere durch das enorm hohe Erdbebenrisiko. Bei den wetterbedingten Naturkatastrophen sind Taifune die größte Gefahr. Sie waren seit 1980 die Ursache für beinahe drei Viertel der Gesamtschäden (inflationsbereinigt), die von Wetterkatastrophen verursacht wurden. Gleichzeitig gilt Japan als das Land mit sehr hoher Prävention zum Schutz der Menschen und Begrenzung der Schäden, etwa durch sehr hohe Baustandards und landesweite Katastrophenwarnsysteme.
Die Wirtschaft Japans war bis Anfang der 90er Jahre von starkem Wachstum geprägt. Es folgte eine lange Krise mit Stagflation und Auf und Ab der Wirtschaftsleistung bis in die jüngste Zeit. Auf der Schadensseite trieben mehrere Taifune mit Milliardenschäden 2018 und 2019 die gewichteten Schäden in den 2010er Jahren in die Höhe.
Wegen dieser Faktoren sind die Schadendaten gemessen an der Wirtschaftsleistung für Japan schwierig zu interpretieren. Über den Betrachtungszeitraum hinweg war ein relativ hoher Anteil der Schäden durch Wetterkatastrophen versichert, die Versicherungslücke lag bei etwa der Hälfte.

In Indien ist der Trend zu steigenden Schäden gemessen an der Wirtschaftsleistung ebenfalls deutlich zu sehen, auch wenn in den 90er Jahren eine zerstörerische Hochwasserkatastrophe die damaligen Vergleichswerte in die Höhe trieb. 1993 hatte ein Hochwasser in weiten Teilen des Landes Werte von 18,5 Mrd. US$ (inflationsbereinigt) zerstört, beinahe 1000 Menschen kamen ums Leben.
Überschwemmungen waren auch über den gesamten Zeitraum 1980-2024 betrachtet für zwei Drittel aller Schäden durch Wetterkatastrophen in Indien verantwortlich. Nur etwa 5 % davon waren versichert – und die Versicherungslücke ist auch in den vergangenen Jahren beinahe unverändert geblieben.

In Brasilien sind Überschwemmungen und Dürren die folgenschwersten Naturkatastrophen. Ohne die schwer messbaren Dürre-Schäden verursachten Naturkatastrophen in Brasilien seit 1980 Schäden von etwa 43 Mrd. US$ (inflationsbereinigt). Nur etwas über 5% davon war versichert. Mittlerweile ist die Versicherungslücke etwas geringer. Drei Viertel der genannten Gesamtschäden entfielen auf Hochwasser.
Sehr hohe gewichtete Schäden ereigneten sich am Anfang der Betrachtungsperiode in den 80er-Jahren. Damals führte ein “Super El Niño” (eine sehr starke Ausprägung der Klimaschwankung El Niño/Southern Oscillation – ENSO) zu hohen Unwetterschäden in weiten Teilen Südamerikas.
2024 ereigneten im Süden Brasiliens die stärksten Überschwemmungen der vergangenen Jahrzehnte. Mehr als 2 Millionen Menschen waren betroffen. Rund 200 Menschen starben. Die Schäden werden auf etwa 15 Mrd. US$ (inflationsbereinigt)  geschätzt. Fast zeitgleich hielt weiter im Norden monatelang eine Dürre an, die zeitweise etwa 60 Prozent Brasiliens betraf. Der Schaden – vielfach Ernteausfälle – ging ebenfalls in die Milliarden.
Durch die extremen Ausschläge zu Beginn und Ende der Betrachtungsperiode und die schwierige Messung von Dürreschäden sind die gewichteten Schäden für Brasilien schwierig zu deuten. Allerdings ist auf der Schadensseite seit den frühen 2000er Jahren eine Häufung von Schäden durch Wetterkatastrophen zu erkennen. Bei den Extremereignissen 2024 – dem Hochwasser in Rio Grande do Sul und der Dürre in weiten Teilen des Landes weiter nördlich – kamen Studien zu dem Schluss, dass der Klimawandel Ereignisse dieser Art deutlich wahrscheinlicher und auch stärker gemacht hat.

Experten

Tobias Grimm
Tobias Grimm
Chief Climate Scientist
Lisa Hanselmann
Lisa Hanselmann
Head of Munich Re’s NatCatSERVICE
    alt txt

    properties.trackTitle

    properties.trackSubtitle

    0:00
    0:00