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Überraschend, tödlich, zerstörerisch: Sturzfluten
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    Sturzfluten gehören zu den gefährlichsten Naturereignissen. Bauliche Vorsorgemaßnahmen sind nur bedingt wirksam, weshalb Versicherungsschutz das Mittel erster Wahl ist, um sich für den Schadenfall zu wappnen.

    Ein heißer Sommertag: Ein Bach plätschert in seinem Bett. Da zieht ein Gewitter auf. Urplötzlich fallen ungeheure Regenmengen vom Himmel, begleitet von Blitzen und Donnerschlägen. Das Plätschern schwillt zu einem Rauschen an. Binnen weniger Minuten steigt der Wasserspiegel, es wird turbulent. Zweige, Äste, ganze Bäume und anderes Treibgut bis hin zu Autos werden mitgerissen, eine Sturzflut bahnt sich ihren Weg. Das Wasser strömt in Keller und Tiefgaragen und nur wenig später in die Erdgeschosse. Wer noch rasch sein Hab und Gut in Sicherheit bringen will, hat keine Chance. Jetzt geht es nur noch darum, das eigene Leben zu retten.

    Häufig unterschätzen die Menschen die Gefahr, die von solchen Sturzfluten ausgehen. Im Jahr 2015 gab es weltweit mehr als 120 und in den ersten zehn Monaten 2016 mehr als 95 derartige Ereignisse, bei denen jeweils mindestens fünf Menschen ihr Leben verloren. Dabei wären viele Todesfälle vermeidbar gewesen. So verständlich es ist, sein Auto noch schnell aus der Tiefgarage retten zu wollen, so riskant ist es. Das Wasser kommt oft rasend schnell, kennt kaum Hindernisse und entfaltet eine unvorstellbare Gewalt. Das Gesundheitsrisiko steht in keinem Verhältnis zum möglichen materiellen Schaden. Da die meisten Fahrzeuge ohnehin versichert sind, wird ein Verlust in der Regel kompensiert.

    Topografie gibt den Weg vor

    Sturzfluten entstehen bei hoher Niederschlagsintensität, also wenn viel Regen in kurzer Zeit fällt. Sie treten hauptsächlich auf bei Gewittern, tropischen Wirbelstürmen und Monsunregen, aber auch bei advektiven, orografisch verstärkten Niederschlagsereignissen.

    Sie können nahezu überall vorkommen, es sind Tausende jedes Jahr. Viele verlaufen moderat, andere sind lebensgefährlich und existenzzerstörend. Fast alle sind mit Schäden verbunden, weil das Wasser nicht schnell genug versickern oder geordnete Abflusswege finden kann – selbst wenn der Boden noch aufnahmefähig ist. Es fließt daher „wild“ oberflächig ab und konzentriert sich sehr schnell auf

    Fließpfaden, die die Topografie vorgibt. Das können Wasserläufe und Gräben sein, aber auch Geländerinnen und Straßen. Die Folge sind rasch ansteigende Hochwasserwellen, die in kürzester Zeit auch Gebiete erreichen können, in denen es vielleicht nicht einmal geregnet hat.

    Neben reißenden Wassermassen treten Sturzfluten in ebenem Gelände auch als stehende Ansammlungen von Wasser auf. Mangels Gefälle kann es nicht schnell genug abfließen und füllt dann der Schwerkraft folgend Geländesenken. Die Überflutungshöhen reichen von wenigen Zentimetern bis hin zu mehreren Metern. Gefährdet sind auch Unterführungen, Tiefgaragen und Keller, Untergeschosse von Kaufhäusern sowie U-Bahn-Schächte. Das einzig Positive an diesem Sturzfluttypus ist, dass die Wassermassen nicht oder nur sehr langsam fließen, daher wenig Erosionskraft entfalten und kaum Feststoffe mit sich führen.

    Eine erhöhte Bauweise verhindert große Schäden bei moderaten Ereignissen. Sie verliert nur bei extremen Ereignissen ihre Wirkung

    Sonderfall Muren und Schlammströme

    Das Gegenteil ist der Fall bei Muren und Schlammströmen. Hier führt das Wasser immense Feststoffmengen mit sich, die vom Volumen her sogar den größeren Anteil des Abflusses ausmachen können (bis zu 60 Prozent). Diese Formen von Sturzfluten sind zerstörerischer als die reine Wasservariante. Schwemmholz kann sich an Engstellen wie Brückendurchlässen verfangen und den Abfluss blockieren, was zu einem Aufstau führt (Verklausung).

    In bebauten Gebieten spielen Abflusshindernisse und die Drainagekapazität der Siedlungsentwässerung (Kanalnetz) eine große Rolle. Ist die Kapazität erschöpft, strömt das Wasser aus den Gullys auf die Straße und von dort in die Gebäude oder es dringt, falls Rückstauventile fehlen, unterirdisch aus dem Kanalnetz über die Hausentwässerung ein.

    Weil Sturzfluten überall auftreten können, ist objektiv gesehen jeder bedroht. Nicht einmal auf einem Berg ist man sicher, schon gar nicht an einem Abhang. Auch wenn sie vom Charakter her lokale Ereignisse sind, können Sturzfluten große Gebiete gleichzeitig betreffen, was bei tropischen Stürmen häufig der Fall ist.

    Explizite Vorhersagen kaum möglich

    Die insgesamt gefallene Regenmenge ist oft nebensächlich, entscheidend sind die „Plötzlichkeit“ des Niederschlags und der schnelle zeitliche Ablauf von Sturzfluten. Daher bewegen sich die Vorwarnzeiten im Rahmen einiger Minuten. Längerfristige Warnungen vor Sturzfluten (mehrere Stunden) können sich allenfalls auf eine Niederschlagsvorhersage stützen. Diese Vorhersagen sind zwar in den vergangenen Jahren immer zuverlässiger und genauer geworden. Eine explizite Aussage, wo genau und wann eine Sturzflut auftritt und wie intensiv sie ausfällt, wird jedoch auch in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Die Dauer von Sturzflutereignissen ist im Vergleich zu den Flussüberschwemmungen sehr kurz. Nach wenigen Stunden hat sich das Wasser meist wieder weitgehend verlaufen.

    Generell sind Gebiete auf der Anströmungsseite (Luv) von Gebirgen höher gefährdete Orte. Feuchte Luftmassen werden gezwungen aufzusteigen und regnen sich dadurch intensiver aus. Geneigtes bzw. steiles Gelände verschärft die Abflusssituation zusätzlich.

    Bauliche Maßnahmen kaum anwendbar

    Vorsorge gegen extreme Sturzfluten zu treffen ist nicht einfach, und das Potenzial zur Schadenreduktion ist sehr beschränkt. Meist steht dabei im Vordergrund, Leben zu schützen. Die Seltenheit derartiger Ereignisse (bezogen auf einen bestimmten Ort) verbunden mit ihrer großen Zerstörungskraft schließen größere bauliche Vorkehrungen nahezu aus. Schutzmaßnahmen wie an Flüssen sind nicht in der Fläche anwendbar, und das nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus ästhetischen, baulichen und bemessungstechnischen Gründen.

    Die wichtigste und effizienteste Vorkehrung ist, ein Gebäude nicht in unmittelbarer Nähe der potenziellen Sturzflutbahnen zu errichten. Dazu zählen Wasserläufe, wie klein sie auch sein mögen, Geländerinnen, Mulden oder Gebiete am Fuß eines Hanges. Bei einem Neubau sollten das Erdgeschoss sowie alle Gebäudeöffnungen, durch die Wasser eindringen kann, einige Dezimeter über dem Geländeniveau liegen. Hilfreich sind zudem erhöhte Lichtschachtoberkanten, die Umrandung einer Kelleraußentreppe oder eine Bodenwelle an der Einfahrt zur Tiefgarage. Das schützt zwar nicht bei Extremereignissen, aber zumindest moderate Sturzfluten bleiben schadenfrei. Auch wasserdichte Kellerfenster sind eine Lösung. Gegen ein Eindringen des Wassers aus der öffentlichen Kanalisation helfen Rückstauklappen.

    Generell gilt: Effektiver Schutz setzt permanente Vorkehrungen voraus. Notfallmaßnahmen (zum Beispiel das Ausräumen gefährdeter Gebäudeteile) sind angesichts der sehr kurzen Vorwarnzeiten keine wirkliche Alternative. Gleichwohl lassen sich durch richtiges Verhalten Schäden verringern, vor allem bei extremen Ereignissen, bei denen die genannten baulichen Vorkehrungen nicht mehr ausreichen.

    Lebensgefahr häufig unterschätzt

    Eine reißende Strömung kann Gerinne erodieren und Bahndämme, Brückenpfeiler sowie Fundamente unterspülen. Zusätzlich stellen mitgeführtes Sediment und Treibgut eine Gefahr für die Menschen dar. Auch die Kräfte fließenden Wassers werden in der Regel unterschätzt. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich schwächere Personen schon in knöcheltiefem Wasser (0,20 m) bei einer Fließgeschwindigkeit von etwa 3 m/s (11 km/h) nicht mehr auf den Beinen halten können. In diesem Fall beträgt das Produkt aus Fließgeschwindigkeit v (in m/s) und Wassertiefe D (in m) 0,6 m2/s. Ab einem Wert von v • D = 1,3 m2/s, einem Wert, der zum Beispiel bei 3 m/s und knietiefem Wasser (0,45 m) erreicht wird, wird fast jeder von der Strömung umgerissen.

    Auch mit einem Auto in ein fließendes Gewässer zu fahren, kann lebensgefährlich sein. Ab wenigen Dezimetern Wassertiefe bestimmt die Strömung, wohin sich das Fahrzeug bewegt, nicht der Fahrer. Befindet sich das Fahrzeug erst einmal weitgehend unter Wasser und möglicherweise in einer kräftigeren Strömung, ist es sehr schwierig, unversehrt der Gefahr zu entkommen. Immer wieder sterben Menschen in solchen Fällen. In den USA fordert keine Naturgefahr im Mittel mehr Menschenleben als Sturzfluten, die für rund 60 Todesfälle pro Jahr verantwortlich sind; mehr als die Hälfte davon ereignet sich in Kraftfahrzeugen.

    Minimalschutz gegen Eindringen von Regenwasser ins Gebäude

    Versicherungen als Lösung erster Wahl

    Weil bauliche und andere Vorkehrungen gegen Schäden bei extremen Sturzfluten nur begrenzt wirksam sind, ergeben sie in vielen Fällen ökonomisch wenig Sinn. Das macht Sturzfluten zu einem idealen Thema für die Assekuranz. Gerade weil bauliche Maßnahmen im Verhältnis zum Risiko viel kosten, ist eine Versicherung die effizienteste Möglichkeit, um das Risiko abzudecken. Die Versicherbarkeit von Sturzfluten, die ja nicht gewässergebunden sind und überall auftreten können, stellt kein Problem dar, da die Gefahr einer Antiselektion nicht besteht. Hinzu kommt, dass ein bestimmtes Objekt nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit getroffen wird. Das hält die risikoadäquate Prämie gering und damit bezahlbar.

    Wenn in einem Markt nahezu alle eine solche Versicherung abschließen, besteht ein hoher geografischer Risikoausgleich – eine für alle Beteiligten vorteilhafte Situation. Für den Staat bzw. die Gesellschaft, weil er/sie sich hohe Finanzhilfen aus Steuergeldern nach Ereignissen spart. Für die Betroffenen, weil sie eine vertraglich zugesicherte finanzielle Basis für die Wiederbeschaffung bzw. den Wiederaufbau zur Verfügung haben, was auch aus psychologischen Gründen ein wichtiger Aspekt ist. Für die Versicherungswirtschaft, weil sie ihr Prämienaufkommen verbessert.

    Aus diesem Grund haben in vielen Ländern staatliche Stellen gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft groß angelegte Kampagnen ins Leben gerufen. Sie sollen Hauseigentümer, Gewerbetreibende und Unternehmen von der Sinnhaftigkeit einer Überschwemmungsversicherung überzeugen und damit die Versicherungsdichte erhöhen. Die Kampagnen waren zum Teil sehr erfolgreich. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat sich des Themas angenommen und wirbt weltweit dafür.

    Klimawandel verschärft das Problem

    In einem wärmeren Klima steigt der potenzielle Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre um sieben Prozent pro Grad Celsius Temperaturanstieg. Die Verdunstung von den Weltmeeren nimmt mit höheren Temperaturen des oberflächennahen Wassers zu.

    Diese Prozesse werden künftig nicht nur generell die Niederschlagsmengen erhöhen, sondern bei regionalen Unwettern vermehrt zu extremen Niederschlägen führen. Besonders über dicht bebauten Stadtgebieten – also Orten mit hoher Wertedichte – können sich durch die verstärkte Konvektion lokale Unwetter explosionsartig entladen.

    Wir werden also in Zukunft sehr wahrscheinlich mit häufigeren und intensiveren Sturzfluten rechnen müssen, und durch die zunehmenden Werte steigt die Anfälligkeit gegenüber solchen Schadenereignissen. Gleichzeitig können wir nicht davon ausgehen, dass Anpassungsmaßnahmen diese Entwicklungen kompensieren. Wenn überhaupt, dann wird dies nur sehr langfristig über eine weitverbreitete bauliche Anpassung der potenziell betroffenen Gebäude erfolgen können.

    Vor diesem Hintergrund gilt es, das Bewusstsein für die Sturzflutgefahr zu schaffen, zu schärfen und zu erhalten, und das auf allen Ebenen: beim Staat, bei den Betroffenen und auch bei der Versicherungswirtschaft. Denn man kann extreme Sturzflutereignisse nicht verhindern. Aber man kann durch relativ einfache bauliche und organisatorische Maßnahmen viele Schäden vermeiden – und sich gegen das verbleibende restliche Risiko effizient versichern.

    Munich Re Experten
    Tobias Ellenrieder
    Senior Consultant Flutrisiken

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