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The „Big One“: Schweres Erdbeben in Kalifornien nur eine Frage der Zeit
Geringe Versicherungsdichte ist Risiko für Finanzsektor
The „Big One“: Schweres Erdbeben in Kalifornien nur eine Frage der Zeit
© Geoff Manaugh
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    Die Zahlen sind erschreckend: Hunderte Milliarden US-Dollar könnte ein schweres Erdbeben in Kalifornien kosten, das die Metropolregionen San Francisco oder Los Angeles treffen würde. Vorsorge wird in Kalifornien daher großgeschrieben, wie die jährliche Katastrophenschutzübung „The Great California ShakeOut“ mit regelmäßig Millionen von Teilnehmern am 18. Oktober wieder gezeigt hat. Angesichts des offenkundigen Risikos ist erschreckend, wie wenig Gebäude in dem Bundesstaat gegen Erdbeben versichert sind. Viele Geschädigte würden also auf ihren Schäden sitzenbleiben, wenn die Erde bebt. Auch der Finanzsektor wäre stark getroffen, da viele Kredite ausfallen dürften, was Banken sowie Investoren in Kreditverbriefungen belasten würde.

    Ein Blick zurück: Das letzte extreme Beben in Kalifornien war das San Francisco-Erdbeben von 1906, bis heute im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der USA die teuerste Naturkatastrophe des Landes. Für Munich Re war es gemessen an den Beitragseinnahmen der größte Schadenfall aus einer Naturkatastrophe überhaupt, noch gravierender als Hurrikan Katrina im Jahr 2005 oder das Tohoku-Erdbeben in Japan 2011.

    Die Westküste der USA ist sehr stark erdbebengefährdet. Tektonische Verwerfungen wie der San-Andreas-Graben durchziehen Kalifornien, wo sich die Pazifische Platte und die Nordamerikanische Platte aneinander vorbeischieben. Modellierungen gehen für ein sehr schweres Beben, das San Francisco und Los Angeles trifft, von direkten Schäden von 300 Mrd. US-Dollar aus. Die indirekten volkswirtschaftlichen Schäden sind darin noch nicht einmal enthalten.

    Die Gefahr aus der Natur ist in Kalifornien vielerorts offensichtlich: Die Verwerfungen durchziehen mit Furchen und Schluchten den Bundesstaat. Verzerrte Straßen zeugen von der Gewalt, mit der sich die tektonischen Platten um ein paar Zentimeter pro Jahr aneinander vorbeipressen. Drastisch deutlich wird dies auf älteren Fotos von einer Bordsteinkante in Hayward östlich von San Francisco, wo direkt über der gleichnamigen Verwerfung ein Bordstein über viele Jahre Zentimeter um Zentimeter verschoben wurde. Seismologen halten die Wahrscheinlichkeit für ein schweres Beben an der Hayward-Verwerfung für die höchste in Kalifornien. Den genauen Zeitpunkt des nächsten Knalls hier oder an anderen Verwerfungen kann natürlich niemand vorhersagen.

    Entsprechend hoch ist eigentlich das Risikobewusstsein in Kalifornien. Die Baustandards sind mit die strengsten der Welt, und bei der jährlichen Katastrophenübung „Great ShakeOut“, die mittlerweile ein weltweiter Aktionstag ist, werden Menschen daran erinnert, wie sie sich bei einem Beben am besten schützen können: auf die Knie gehen, unter ein Möbelstück kriechen und dort mit dem Arm über dem Nacken verharren.

    Im Kontrast dazu steht die geringe Verbreitung von Erdbebenversicherung in Kalifornien. Bei Wohngebäuden sind in vielen Counties weniger als 10% und selbst in den besonders gefährdeten Metropolen kaum mehr als 25% der Gebäude gegen Erdbeben versichert. Bei geschäftlichen Gebäuden ist der Anteil größer, aber auch in Ballungsräumen nicht über 30 bis 40% und damit weit von einer flächendeckenden Absicherung entfernt. Auch wenn die Beiträge dafür entsprechend des Risikos mitunter höher sind: Versicherungen könnten viele Menschen davor bewahren, dass Ihnen ihr Besitz im Katastrophenfall komplett verloren geht.

    Was sind die Gründe für die fehlende Bereitschaft, in eine Versicherung zu investieren? In vielen Gegenden Kalifornien ist das letzte Beben schon Jahrzehnte her, viele haben nie eines erlebt. Viele Einwohner Kaliforniens hoffen daher, dass das nächste Beben entweder auf sich warten lässt oder zumindest sie nicht trifft. Auf staatliche Hilfen nach einer Naturkatastrophe zu setzen reicht in aller Regel nicht aus, weil die Zahlungen dann meist nur einen geringeren Teil der Schäden begleichen.

    San Francisco-Erdbeben von 1906 ist bis heute gemessen an der Wirtschaftsleistung die teuerste Naturkatastrophe der USA

    Durch die geringe Versicherungsdichte würde bei einem Beben auch der Finanzsektor stärker getroffen als bei vergleichbaren Katastrophen. Und zwar nicht nur durch Drittrunden-Effekte wie Kurseinbrüche an Aktienmärkten oder volkswirtschaftliche Auswirkungen, sondern durch nahezu direkte Beteiligung an den Schäden – nämlich über den Ausfall von Krediten.

    Der US-Hypothekenkreditmarkt ist rund 12,8 Billionen US-Dollar schwer (ausstehendes Kreditvolumen). US-Banken behalten nur einen Teil der Risiken bei sich, etwa ein Drittel. In viel stärkerem Umfang werden Kredite verbrieft und über den Sekundärmarkt – vielfach über die „Government Sponsored Enterprises“ Fannie Mae und Freddie Mac – an institutionelle Investoren in aller Welt weitergereicht. Auf Kalifornien entfallen rund 2 Billionen US-Dollar Kreditvolumen.

    Die Senior-Tranchen wären vermutlich vor Ausfällen nach einem Beben gefeit, da die Verluste zunächst von den nachrangigen Tranchen absorbiert werden. Aber bei diesen nachrangigen Tranchen solcher Strukturen könnte das Verlustrisiko auch Investoren erwischen, die ansonsten keine Exponierung gegenüber Erdbeben haben. Viele dieser Investoren werden das Risiko kennen, aber nicht zuvorderst auf dem Radar haben, da das volkswirtschaftlich getriebene Kreditrisiko insgesamt dominanter ist.

    Was also ist zu tun? Die Versicherungsdichte in Kalifornien hat zugenommen. Daran hat California Earthquake Authority (CEA) mit ihrem Versicherungsprogramm großen Anteil, jedoch sind die Deckungen mit Limiten versehen. Auch reicht das nicht, und die Verbraucher sind bisher nicht bereit, mehr Geld für Versicherungen auszugeben.

    Daher sind Regulierer und die Politik gefragt. Faktisch müsste Erdbebenversicherung bei Wohngebäuden und Unternehmen in dem Erdbebenstaat flächendeckend vorhanden sein, um die genannten negativen Effekte zu vermeiden und den Menschen nach einer Katastrophe finanziell schneller auf die Beine zu helfen. Sind dafür Prämiensubventionierungen durch den Staat nötig, damit die Verbraucher reagieren? Vielleicht. Wäre eine Vorgabe an Banken denkbar, bei einer Vergabe von Immobilienfinanzierungen in Kalifornien eine Erdbebenversicherung zu verlangen? Auch möglich. Letztlich geht es ja auch um den Schutz der Verbraucher, die sich beim Abschluss eines Kreditvertrags der Risiken bewusst sein müssen. Also auch der Möglichkeit, dass ein Erdbeben ihr Haus zerstört oder beschädigt, für das sie einen Kredit aufnehmen wollen.

    Der private Versicherungssektor kann Know-how in die Entwicklung solcher Konzepte einbringen und mehr Kapazität für das Decken von Erdbebenrisiken in Kalifornien bereitstellen. Risiken würden nicht bei den Immobilieneigentümern oder Hypothekeninvestoren verbleiben, sondern in die Hände professioneller Risikonehmer umverteilt werden. Im Katastrophenfall würde Hausbesitzern, etwa Familien, direkt geholfen, Fragen der gerechten Verteilung möglicher staatlicher Hilfen würden vermieden. Auch Risiken für die Finanzmärkte würden reduziert, denn es wäre klar, wer die Erdbebenrisiken aus Hypothekeninvestments trägt.

    Munich Re Experten
    Torsten Jeworrek
    Mitglied des Vorstands, CEO Rückversicherung

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