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Belastungs-EKG oder ein Laborwert fürs Herz? Auswirkungen auf die Risikoprüfung
Belastungs-EKG oder ein Laborwert fürs Herz? Auswirkungen auf die Risikoprüfung
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    In der Lebensversicherung werden Antragsteller im Rahmen der Risikoprüfung unter anderem hinsichtlich bestehender Herzkrankheiten und dem zukünftigen Risiko von kardialen Ereignissen (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Herztod) beurteilt. Bei höheren Versicherungssummen wird deswegen die Risikoprüfung durch ein Belastungs-EKG ergänzt. Diese Untersuchung ist unter Risikogesichtspunkten sinnvoll, sie ist allerdings nicht kundenfreundlich, erhöht den Prozessaufwand und die Kosten. Munich Re hat deshalb in einer Studie untersucht, ob die Bestimmung des Laborwertes NT-proBNP in der Risikoprüfung eine Alternative zum Belastungs-EKG sein kann.

    Status Quo

    Ausgefüllte Fragebögen und ärztliche Zeugnisse reichen nicht immer aus um auszuschließen, ob bei einem Antragsteller auch ohne Beschwerden bereits eine Herzerkrankung vorliegt. Daher fordert der Versicherer bei höheren Summen in der Regel zusätzlich ein Belastungs-EKG an. Für den Kunden erhöht sich durch diese Anforderung nicht nur der Zeitaufwand, die Untersuchung ist auch nicht gerade angenehm. Außerdem wird der Verkaufsprozess unterbrochen und die zusätzliche Untersuchung führt für den Versicherer zu erhöhten Kosten.

    Biomarker beschleunigen Antragsprozesse

    Neben dem Belastungs-EKG gibt es eine weitere Möglichkeit, eine bestehende oder beginnende Herzerkrankung zu bewerten. Dabei wird im Rahmen eines Blutbilds der sogenannte NT-proBNP-Wert bestimmt. Die Abkürzung steht für „N-Terminales pro Brain Natriuretic Peptide“.

    Eine erhöhte NT-proBNP-Konzentration im Blut ist ein Anzeichen für das Vorliegen einer Herzerkrankung. Zusätzlich kann sie Aufschluss über deren Schweregrad geben.

    Im Versicherungskontext hat die Verwendung dieses Biomarkers deutliche Vorteile. Bei der für die Risikoprüfung höherer Versicherungssummen obligatorischen Blutuntersuchung kann der NT-proBNP-Wert gleich mitbestimmt werden. Ein längerer oder zusätzlicher Arzttermin zur Durchführung eines Belastungs-EKGs ist nicht notwendig. Der Risikoprüfer kann anhand der vorgelegten Laborwerte selbst eine Entscheidung treffen, während er bei Vorlage eines Stress-EKG-Befundes einen Arzt zur Bewertung hinzuziehen muss. Die Kosten sinken, da die Bestimmung des NT-proBNP-Wertes im Durchschnitt nur etwa halb so viel wie ein Belastungs-EKG kostet.

    Für einen Ersatz des Belastungs-EKGs durch den NT-proBNP-Wert müsste es jedoch zunächst einen Beleg für die Gleichwertigkeit beider Verfahren geben. Bislang fehlten Vergleichsstudien, die den Einfluss des NT-proBNP-Wertes beziehungsweise des Belastungs-EKGs auf das Risikoprüfungsergebnis untersuchen. In Zusammenarbeit mit neun Lebensversicherern hat Munich Re  daher eine eigene Studie durchgeführt. Zentral war dabei die Frage, wie das Risikoprüfungsergebnis ausgefallen wäre, wenn bei Antragstellung an stelle des Belastungs-EKGs nur der NT-proBNP Wert vorgelegen hätte.

    Studiendesign
    © Munich Re
    Alle Studienteilnehmer mit einem auffälligen Belastungs-EKG oder einem erhöhten NT-proBNP Wert wurden mit einem Stress-Echokardiographie weiter untersucht.

    Im Fokus: Vor- und Nachteile der neuen Methode

    Im Rahmen der Studie wurde bei 479 Antragstellern sowohl eine NT-proBNP-Messung als auch ein Belastungs-EKG durchgeführt. Für die Munich Re Studie wurden die Grenzwerte für die NT-proBNP-Werte abweichend von den gängigen klinischen Grenzwerten festgelegt. Dies war erforderlich, weil der NT-proBNP-Wert im medizinischen Alltag üblicherweise nur dazu dient, bei einer schweren Atemnot herauszufinden, ob diese pulmonal oder kardiologisch bedingt ist. Für die Risikoprüfung werden jedoch niedrigere Grenzwerte zugrunde gelegt, die sich an Normalwerten bei gesunden Kollektiven orientieren.

    Die Auswertung der Studie hat ergeben, dass beide Methoden zu nahezu gleichen Ergebnissen in der Risikoprüfung führen. Der NT-proBNP-Wert ist in der durchgeführten Studie bei Antragstellern für eine Berufsunfähigkeits oder Lebensversicherung [SU-M1] gegenüber dem Belastungs-EKG zumindest gleichwertig.  Aus der Studie ergeben sich folgende Vor- und Nachteile des Biomarkers:

    Vorteile:

    • Sinkende Kosten: Gegenüber dem Belastungs-EKG ist die Blutwertbestimmung deutlich günstiger.
    • Beschleunigte Prozesse: Der Antragsprozess wird an zwei Stellen verkürzt. Zum einen muss der Risikoprüfer nicht auf das Belastungs-EKG warten und zum anderen kann er die Laborwerte selbst beurteilen. Die schnellere Bearbeitung führt zu geringeren Absprungquoten und sorgt für eine höhere Kundenzufriedenheit.
    • Mehr Akzeptanz: Sowohl Vertriebsmitarbeiter als auch Kunden haben Vorteile. Der Vertriebsmitarbeiter muss seinem eigentlich gesunden Kunden nicht mehr erklären, warum er ein Belastungs-EKG benötigt. Der Kunde spart Aufwand, Zeit und Stress.


    Nachteile

    • Informationsverlust: Der NT-proBNP-Wert gibt keinen Aufschluss über das Blutdruckverhalten bei körperlicher Belastung (Belastungshypertonie).
    • Antiselektionseffekt: Eine Herzuntersuchung motiviert den Antragsteller unter Umständen, bestehende gesundheitliche Probleme bereits im Antrag anzugeben. Dieser Effekt ist bei einer Blutuntersuchung geringer, da hier die Nichtangabe von Erkrankungen befördert werden könnte, wenn kein EKG verlangt wird, sondern „nur“ ein Blutwert.
    • Fehlende Erfahrung: Bislang wird der NT-proBNP-Wert in der Risikoprüfung nicht genutzt. Folglich müssten die von Munich Re in der Studie entwickelten Grenzwerte für die Risikoprüfung in der Praxis über einen längeren Zeitraum validiert werden.

    Fazit: Eignung für Anträge ohne kardiale Vorbelastung

    Sowohl das Belastungs-EKG als auch der NT-proBNP-Wert führen zu ungefähr gleich vielen auffälligen Befunden (2-3%),  aber bei beiden Methoden konnte - auch nach weiterer Abklärung - keine bestehende Herzerkrankung gefunden werden.  Es handelt sich also um sogenannte falsch positive Befunde. Ein Risikozuschlag wurde nur in den seltensten Fällen erhoben, und zwar bei beiden Vorgehensweisen (< 1%). Dennoch ist für Lebensversicherer das Screening für bestehende Herzerkrankungen im Antragsprozess unverzichtbar, denn selbst bei geringer Prävalenz können Vorerkrankungen und Antiselektionseffekte zu einem überproportionalen Anstieg der Leistungen führen. 

    Die angeführten Vorteile machen deutlich, dass die Bestimmung des NT-proBNP-Wertes bei Antragstellern ohne bekannte kardiale Vorerkrankung eine sinnvolle und kostengünstige Alternative zum Belastungs-EKG darstellt. Daher hat Munich Re den Laborwert als Parameter in sein webbasiertes Risikoprüfsystem MIRA aufgenommen. Anwender finden im Rahmen der Risikoprüfung dort eine Bewertung einschließlich der speziellen, von Munich Re für die Risikoprüfung entwickelten Grenzwerte. Liegt bei einem Antragsteller allerdings eine kardiale Vorerkrankung vor, sollte je nach Diagnose ein aktueller Untersuchungsbefund gefordert werden (Ultraschall, Stress-Echokardiographie, Cardio- CT/MRI etc). 

    Experte
    Alban Senn
    Dr. Alban Senn
    Chief Medical Officer, Head of Medical Research & Development

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