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Antragsteller mit HIV-Infektion waren in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) lange Zeit nicht versicherbar. Grund: Die Infektion führte zu einem schweren Immundefekt und in der Folge fast immer zum Tod. Durch den medizinischen Fortschritt hat sich die Behandlung inzwischen massiv verbessert. Gleiches gilt für die Versicherbarkeit. Munich Re weitet sie im Takt des medizinischen Fortschritts aus, sodass HIV-Infizierte heute einen fairen Zugang zu allen wichtigen Versicherungsprodukten haben.
Ob Lebensversicherungen, Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Critical-Illness-Produkte: Munich Re schafft mit der gerade erst veröffentlichten, evidenzbasierten Revision ihrer Risikoprüfungsrichtlinien die Voraussetzungen dafür, dass Antragsteller mit HIV-Infektion gut und umfassend versicherbar sind – so wie Antragsteller mit anderen gut behandelbaren chronischen Erkrankungen.
Von der tödlichen Virus-Infektion zur chronischen Erkrankung
Wegbereiter für die bislang umfassendste Ausweitung der Versicherbarkeit bei HIV-Erkrankungen war und ist der medizinische Fortschritt. So gab es in den ersten Jahren nach Auftauchen der neuen Viruserkrankung so gut wie keine Behandlungsmöglichkeiten. Bis Mitte der 1990er-Jahre lag die Wahrscheinlichkeit, dass ein 25-jähriger Mensch mit HIV-Infektion sein 35. Lebensjahr erreicht, daher bei gerade mal 10 Prozent. Mit Entwicklung der antiretroviralen Therapie (ART) stieg die Lebenserwartung der Betroffenen dann innerhalb weniger Jahre stark an. So hatte die 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit für 25-Jährige schon im Jahr 2000 bei rund 90 Prozent gelegen. Auch danach hat sich dieser Wert dem der Allgemeinbevölkerung immer weiter angenähert.
Fakten und Hintergründe zum HI-Virus
Das humane Immundefizienz-Virus (HIV) führt unbehandelt zum erworbenen Immunschwächesyndrom (acquired immune deficiency syndrome – AIDS). Weltweit sind Schätzungen zufolge etwa 39 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Übertragen wird das HI-Virus über Körperflüssigkeiten – beispielsweise durch ungeschützten Geschlechtsverkehr oder intravenösen Drogenkonsum mit geteilten Nadeln.
Gelangt es in den Körper, dockt das HI-Virus an bestimmte weiße Blutzellen an. Diese werden als CD4-Zellen – auch T4- oder T-Helferzellen – bezeichnet und sind für die Immunabwehr zuständig. Das Virus zerstört die CD4-Zellen. Ihre Anzahl nimmt stetig ab. Dies schwächt das Immunsystem der Betroffenen, sodass AIDS-definierende Krankheiten wie bestimmte Pilzinfektionen und Krebserkrankungen gehäuft auftreten. Das Prinzip der antiretroviralen Therapie: Diese hemmt die Vermehrung des Virus, die Zahl der CD4-Zellen erhöht sich wieder, das Immunsystem erholt sich und bleibt stabil.
Kurze Geschichte der HIV-Versicherbarkeit
Versicherbarkeit hat drei Voraussetzungen: Das Risiko muss kalkulierbar und adäquat sein, zudem müssen die Voraussetzungen für eine individuelle evidenzbasierte Risikoprüfung erfüllt sein. Diese Bedingungen waren lange Zeit nicht gegeben. HIV-Infektionen traten erstmals zu Beginn der 1980er-Jahre auf. Medizin und Wissenschaft hatten keinerlei Erfahrung mit dieser neuen Erkrankung. Es gab weder Behandlungsmöglichkeiten noch Studiendaten. Ändern sollte sich dies jedoch schnell. So kamen bereits ab 1987 die ersten antiviralen Arzneimittel zur Anwendung. Später kam die antiretrovirale Kombinationstherapie (ART) zum Einsatz. Diese war so erfolgreich, dass die Sterblichkeit innerhalb weniger Jahre massiv zurückging. Bis heute, denn die seitdem stetige Weiterentwicklung der ART hat die Mortalität und Morbidität immer weiter reduziert, sodass die meisten HIV-Infizierten inzwischen versichert werden können.
Die versicherungstechnischen Grundlagen dafür hat Munich Re als Pionierin maßgeblich mitentwickelt. Die Anfänge liegen im Jahr 2008. „Damals“, erinnert sich Senn, „haben wir in der Lebensversicherung erstmals Bewertungsrichtlinien für HIV-Infizierte eingeführt und diese unter bestimmten medizinischen Voraussetzungen bereits versichert.“ Das waren noch Einzelfälle. Der nächste Schritt folgte 2015. Seitdem ist die HIV-Infektion Teil des regulären MIRA-Risikoprüfungsmanuals von Munich Re. Damit wurde eine Risikobewertung für die meisten HIV-Infizierten standardisiert möglich und ein prinzipieller Zugang zur Lebensversicherung eröffnet. Auch, wenn die Vertragslaufzeiten in Anbetracht fehlender Erfahrungsdaten noch begrenzt waren.
„Mit der aktuellen Revision erreichen wir nun den nächsten Meilenstein“, sagt Steven Wiseman, der das vorangegangene Entwicklungsprojekt als Senior Medical Consultant bei Munich Re verantwortete. „Das wichtigste Ergebnis aus diesem Projekt“, so Wiseman, „sind die soeben veröffentlichten, marktweit ersten evidenzbasierten Bewertungsrichtlinien für HIV-Infizierte in der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung.“
Durchbruch mit HIV-Daten aus Dänemark
Die Mortalität bei HIV-Infizierten ist unter konsequenter ART stark zurückgegangen und sinkt weiterhin. Dies belegen die Ergebnisse groß angelegter HIV-Studien bereits umfassend. Anders sieht es mit der medizinischen und wissenschaftlichen Evidenz im Hinblick auf das Invaliditätsrisiko der Betroffenen aus. Hier fehlten für entsprechende Analysen bisher schlicht die Datengrundlagen. Die Frage, wer diesbezüglich mit welchem Produkt versicherbar ist, ließ sich mangels Datengrundlage bisher nicht beantworten.
„Bisher“, betont Anne Zutavern, Medical Consultant im Munich Re Projektteam, „denn in Zusammenarbeit mit den Erstellern des dänischen HIV-Registers konnten wir nun eine Längsschnittstudie zur Analyse der Mortalität und Morbidität von HIV-Infizierten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung durchführen.“ Das dänische HIV-Register ist weltweit eines der umfangreichsten und detailliertesten seiner Art. Für die Längsschnittstudie nutzten die Ersteller des HIV-Registers ihren Zugang zu weiteren Datenpools wie etwa dem dänischen Arbeitsmarkt-, Sterbe- und Krebsregister. „Mit dieser einzigartigen Datenbasis konnten wir viele versicherungsrelevante, bis dahin kaum bearbeitete Fragen beantworten“, erklärt Zutavern und ergänzt: „Beispielsweise Fragen zu spezifischen Risikofaktoren oder zu definierten Endpunkten wie Invalidität.“
Entstigmatisierung durch erweiterte Risikoprüfung
Die neu gefundenen Antworten und Analyseergebnisse sind in die jüngste Revision der MIRA Risikoprüfungsrichtlinien von Munich Re eingeflossen und ermöglichen nun eine maßgeblich erweiterte Risikoeinschätzung auf neuestem Wissensstand. Diese schließt neben Produkten der Lebensversicherung ab sofort auch Produkte der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung ein. Selbst die Risikoprüfung für Critical-Illness-Versicherungen ist mit den erweiterten Munich Re Richtlinien nun möglich, sodass sich HIV-Infizierte künftig sogar gegen die Folgen weiterer schwerer Erkrankungen absichern können.
Damit hat die jüngste Munich Re Revision das Potenzial, einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Denn bis heute beantragen HIV-Infizierte in der Regel keine BU- oder Critical-Illness-Versicherungen, da sie befürchten, ohnehin abgelehnt zu werden. Zu Recht, denn HIV-Infizierte konnten bis dato praktisch keine BU-Police abschließen. Dies wird sich dank neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit den erweiterten Annahmerichtlinien von Munich Re nun hoffentlich grundlegend ändern. Dafür muss die HIV-Infektion entstigmatisiert und endlich als das gesehen werden, was sie ist: eine chronische Erkrankung, die unter ART mit kalkulierbaren Risiken einhergeht und versichert werden kann.