Katastrophenbilanz 2008 belegt: Klimaabkommen ist dringend nötig
29.12.2008
Rückversicherung
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Eine Vielzahl tropischer Wirbelstürme und das Erdbeben in Sichuan haben 2008 zu einem der schadenreichsten Jahre überhaupt gemacht. Obwohl die Anzahl der schadenrelevanten Ereignisse im Vergleich zum Vorjahr zurückging (von 960 auf 750), trieben einzelne Katastrophen die Opferzahlen und die Schäden deutlich nach oben. Weltweit kamen dieses Jahr mehr als 220.000 Menschen durch Naturkatastrophen ums Leben. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden betrugen rund 200 Mrd. US$ (2007: 82 Mrd. US$), blieben aber unter denen des Rekordjahres 2005 (232 Mrd. US$ in heutigen Werten). Die versicherten Schäden stiegen 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 50 % auf 45 Mrd. US$.
Getrieben durch hohe Schäden aus Wetterkatastrophen war 2008 gemessen an inflationsbereinigten Werten das Jahr mit den dritthöchsten Schäden, nur noch übertroffen vom Hurrikanjahr 2005 und 1995, als sich das Erdbeben von Kobe (Japan) ereignete. Torsten Jeworrek, Mitglied des Vorstands der Münchener Rück: "Damit setzt sich der von uns beobachtete langfristige Trend fort: Der Klimawandel hat bereits eingesetzt und trägt mit großer Wahrscheinlichkeit zu immer häufigeren Wetterextremen und dadurch bedingten Naturkatastrophen bei. Diese wiederum richten immer größere Schäden an, da weltweit auch die Wertekonzentration in risikoexponierten Gegenden, etwa an den Küsten, weiter steigt." Bei der Erforschung von Risiken aus Naturgefahren aller Art ist die Münchener Rück weltweit führend. "2008 hat wieder gezeigt, wie wichtig es für uns ist, Risiken wie den Klimawandel in allen Facetten zu analysieren und das Geschäft entsprechend zu steuern", so Jeworrek.
Einige der herausragenden Ereignisse im Einzelnen:
Asien war 2008 erneut der von den schlimmsten humanitären Katastrophen betroffene Kontinent. Durch den Zyklon Nargis kamen in Myanmar wahrscheinlich mehr als 135.000 Menschen ums Leben. 85.000 Tote wurden offiziell bestätigt, 54.000 gelten immer noch als vermisst. Der Tropensturm sorgte mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten, Rekordregenfällen und einer Sturmflut vor allem im tief liegenden Irrawaddy-Delta und in der ehemaligen Hauptstadt Rangoon für Verwüstungen. Da in den letzten Jahren große Teile der Mangrovenwälder – ein natürlicher Küstenschutz – verschwunden sind, konnte die Sturmflut bis zu 40 km ins Landesinnere vordringen. Das Land stand bis zu dreieinhalb Meter unter Wasser, mehr als eine Million Einwohner Myanmars wurden obdachlos.
Eine andere humanitäre Katastrophe war das Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan, die als sehr erdbebengefährdet gilt. Die offizielle Statistik weist rund 70.000 Tote aus, 18.000 Menschen werden immer noch vermisst, 374.000 wurden verletzt und fast fünf Millionen obdachlos. Das Sichuan-Beben im Mai verursachte gleichzeitig den größten gesamtwirtschaftlichen Einzelschaden des Jahres 2008, der sich auf rund 85 Mrd. US$ summiert. Damit ist dieses Erdbeben nach dem Erdbeben von Kobe (Japan, 1995) das bisher zweitteuerste.
Für enorme Schäden hatte in China zuvor schon eine ungewöhnliche Kältewelle mit gewaltigen Schnee- und Eismengen gesorgt, die mit mehr als 21 Mrd. US$ zu Buche schlug. Eis und Schnee trafen die Infrastruktur in 18 Provinzen hart, Straßen und Schienenwege wurden blockiert und teilweise zerstört, die Stromversorgung kam zum Erliegen.
Gemessen an den versicherten Schäden war Hurrikan Ike das teuerste Einzelereignis im Jahr 2008. Während in den beiden Vorjahren das US-Festland von schweren Wirbelstürmen weitgehend verschont geblieben war, sorgten Hurrikane in diesem Jahr für erhebliche Schäden auch für die Versicherungswirtschaft. Gleich sechs tropische Wirbelstürme nacheinander (Dolly, Edouard, Fay, Gustav, Hanna und Ike) erreichten 2008 die US-Küste; der schwerste davon war Ike, der als Kategorie-2-Hurrikan bei Galveston (Texas) aufs Festland zog. Die Sturmflut, die Ike auslöste, setzte große Abschnitte der Küste von Texas und Louisiana unter Wasser. Auch auf seinem weiteren Weg über Land verursachte der Sturm durch extreme Niederschläge größere Schäden, sodass bisher von einem versicherten Schaden von 15 Mrd. US$ (ohne die Schäden, für die das National Flood Insurance Program aufkommt) ausgegangen wird. Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch Ike beträgt rd. 30 Mrd. US$. Gustav war der zweitteuerste Hurrikan des Jahres, mit einem gesamtwirtschaftlichen Schaden in Höhe von 10 Mrd. US$ und einem versicherten Schaden von 5 Mrd. US$.
Die Anzahl tropischer Wirbelstürme im Nordatlantik lag 2008 deutlich über dem langfristigen Durchschnitt und auch über dem Mittelwert der seit 1995 anhaltenden Warmphase, die durch den Klimawandel verstärkt ausfällt. Insgesamt wurden 16 tropische Wirbelstürme gezählt, der bisherige Durchschnittswert der Warmphase lag bei 14,7. Acht der Stürme erreichten Hurrikan-Stärke, von denen fünf in die Kategorie der schweren Hurrikane (Stärke 3-5) eingestuft wurden. Damit war die Hurrikan-Saison gemessen an der Gesamtzahl der Stürme – aber auch an der Zahl der schweren Hurrikane – die viertstärkste, seitdem es verlässliche Daten darüber gibt. Auch die Tornado-Saison in den USA, die sich von April bis September erstreckt, verlief ungewöhnlich heftig. Insgesamt gab es 2008 rund 1.700 Tornados, die in der Summe einen Schaden von mehreren Milliarden US$ anrichteten.
Nach einer vorläufigen Einschätzung der World Meteorological Organisation (WMO) war 2008 das zehntwärmste Jahr seit Beginn der routinemäßigen Temperaturmessungen, auf der Nordhalbkugel das achtwärmste. Damit fallen die 10 wärmsten Jahre seit Beginn der systematischen Messung in die vergangenen 12 Jahre. "Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die vom Menschen emittierten Treibhausgase die Ursache für die fortschreitende Erwärmung der Atmosphäre. Die Logik ist klar: Steigende Temperaturen bedeuten mehr Verdunstung und eine höhere Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Wasserdampf und damit einen größeren Energieinhalt. Die Wettermaschine läuft auf höheren Touren, es kommt zu intensiveren Unwetterereignissen mit entsprechenden Folgen auf der Schadenseite. Für die zunehmenden Starkniederschlagsereignisse in vielen Regionen der Erde, die Hitzewellen und die Hurrikane im Nordatlantik ist der Zusammenhang bereits heute wahrscheinlich. Die Schadenstatistik des Jahres 2008 passt in das Muster, das man aus den Berechnungen der Klimamodelle erwarten muss", sagt Prof. Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung der Münchener Rück.
Verglichen mit den gewaltigen Naturkatastrophen in Asien und Amerika kam Europa 2008 glimpflich davon. Dennoch gab es auch hier zwei Ereignisse, die für Milliarden-Schäden für die Versicherungswirtschaft sorgten. Orkantief Emma rauschte Anfang März über weite Teile Mitteleuropas hinweg und verursachte durch sehr hohe Windgeschwindigkeiten, Gewitter und Hagel in Deutschland, Dänemark, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, der Schweiz und Österreich einen Gesamtschaden von 2 Mrd. US$, davon 1,5 Mrd. US$ versicherte Schäden. Das Unwetter-Tief Hilal, das von Ende Mai bis Anfang Juni über Südwest-Deutschland (insbesondere Baden-Württemberg) zog, richtete durch starke Böen, Hagel und sturzflutartige Überschwemmungen große Schäden an. Mit einem versicherten Schaden von 1,1 Mrd. US$ war Hilal die siebtteuerste Naturkatastrophe in der globalen Statistik für dieses Jahr.
Vorstandsmitglied Jeworrek: "Für uns als führender Rückversicherer haben sich aus den Naturkatastrophen-Trends der vergangenen Jahre drei Handlungsstrategien ergeben, die wir konsequent verfolgen. Erstens: In unserem Kerngeschäft übernehmen wir Risiken nur zu risikoadäquaten Preisen. Das bedeutet: Ändert sich die Gefährdungslage, passen wir das Preisgefüge an. Zweitens: Wir entwickeln mit unserer Expertise im Kontext der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen neue Geschäftsmöglichkeiten. Und drittens: Wir setzen uns als Unternehmen in der internationalen Diskussion für wirkungsvolle und verbindliche Regeln bei den CO2-Emissionen ein, damit der Klimawandel gebremst wird und kommende Generationen nicht mit schwer beherrschbaren Wetterszenarien leben müssen." Die Münchener Rück führt wissenschaftliche Analysen zu den Auswirkungen des Klimawandels durch und kooperiert mit vielen wissenschaftlichen Instituten. 2008 wurde eine Kooperation mit Lord Nicholas Stern und der London School of Economics (LSE) gestartet, um die Erforschung der wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels entscheidend voranzubringen.
Die Münchener Rück setzt sich für ambitionierte Klimaschutzziele ein. Dieses Vorgehen erschließt zudem enorme Chancen, denn es entstehen dabei neue Technologien mit großem Wachstumspotenzial. Als Risikoträger mit innovativen Deckungskonzepten im Bereich der alternativen Energien (Wind, Solar, Geothermie) fördert die Münchener Rück diese neuen Technologien und sichert sich so zusätzliche Geschäftspotenziale. Vorstandsmitglied Jeworrek: "Auf dem nächsten Klimagipfel in Kopenhagen muss ganz klar der Weg zu einer mindestens fünfzigprozentigen Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 mit entsprechenden Meilensteinen festgeschrieben werden. Bei zu langem Zögern wird es für künftige Generationen sehr teuer."
Bei der Beurteilung von Naturkatastrophen nimmt die Münchener Rück eine Klassifizierung in sechs Kategorien vor. In der Jahresbilanz werden alle Ereignisse berücksichtigt, bei denen mehr als zehn Menschen ums Leben kamen und/oder die Schäden in Millionenhöhe lagen.
Service: Ab Januar 2009 stehen Grafiken und Tabellen der aktuellen Analysen der Naturkatastrophen in unserem NatCatSERVICE-Download-Center bereit: www.munichre.com/geo.
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