Erdbeben
Erdbeben – die größte Herausforderung bei der Versicherung des Halbleitersektors in Asien
Asian male technician in sterile coverall holds wafer that reflects many different colors with gloves and check it at semiconductor manufacturing plant
© PonyWang / Getty Images

Anfang 2025 rief eine Reihe von Erdbeben in der Region Asien-Pazifik weithin Besorgnis hervor. Am 28. März erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,7 das südostasiatische Myanmar. Dabei kamen viele Menschen ums Leben und weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Die Hilfsmaßnahmen nach der Katastrophe dauern noch an. Zwei Tage später traf ein Erdbeben der Stärke 7,3 die über 12.000 Kilometer entfernten Tonga-Inseln. Diese Ereignisse setzten eine öffentliche Diskussion über die Periode seismischer Aktivität in Gang und rückten die Themen Erdbebenvorsorge und Katastrophenschutz in verschiedensten Sektoren in den Fokus.

Global gesehen ist die Häufigkeit von Erdbebenereignissen 2025 im Vergleich zu den Vorjahren allerdings kaum gestiegen, und es ist immer noch unklar, ob wir tatsächlich eine Periode erhöhter Erdbebenaktivität erleben. Dennoch gibt das häufige Auftreten von Erdbeben Anlass dazu, ihre Auswirkungen auf Technologiebranchen wie den Halbleitersektor zu untersuchen. In diesem Beitrag beleuchten wir, wie die Halbleiterindustrie sich für diese zentralen Herausforderungen durch geologische Katastrophen rüsten kann und wie Versicherer ihre Mechanismen für das Risikomanagement verbessern können, um diesen Herausforderungen Rechnung zu tragen. 

Die Auswirkungen von Erdbeben auf die Halbleiterindustrie

In der Halbleiterindustrie können Erdbeben erhebliche direkte Schäden verursachen, von Rissen in der Baustruktur bis hin zum Einsturz ganzer Gebäude, aber auch Schäden an kritischer Produktionsausrüstung – die Folge sind erhebliche Vermögensschäden und Geschäftsunterbrechungen. Angesichts der Abhängigkeit der Industrie von hochpräzisen Instrumenten werden moderne Halbleiterwerke in der Regel unter sorgfältiger Berücksichtigung der lokalen geologischen Gegebenheiten gebaut und unterliegen strengeren Baunormen für Erdbebenschutz. Zudem werden Wafer-Produktionslinien erdbebensicher konstruiert, damit sie Vibrationen zu einem bestimmten Grad standhalten. Aufgrund der extremen Anfälligkeit der Halbleiterfertigungsprozesse können jedoch große Erdbeben selbst in Anlagen mit robusten Erdbebenschutzmaßnahmen beträchtliche Schäden und Betriebsunterbrechungen verursachen.

Trotz der Einhaltung von Erdbebenschutznormen kann der Halbleiterfertigungsbetrieb, der auf funktionsfähige Hochpräzisionsmaschinen angewiesen ist, durch Erdbeben zum Stillstand gebracht werden. Dabei treten vor allem folgende Schäden auf:

  • Schäden an Anlagen und Maschinen: Bauschäden und Versorgungsunterbrechungen (Wasser, Strom, Gas) können die Fertigung stoppen.
  • Produktionsausfälle: Notabschaltungen führen häufig zu hohem Wafer-Ausschuss und langen Stillstandszeiten, da Geräte und Maschinen neu kalibriert werden müssen.
  • Ausfall von Präzisionsausrüstung: Hochempfindliche Komponenten können aufgrund von Erschütterungen verstellt werden, was zu Defekten oder Fehlfunktionen führt.
  • Lieferkettenunterbrechungen: Schäden bei vorgelagerten Rohstoffanlagen können zu Materialknappheit oder -kontaminierung führen.
  • Sekundärgefahren: Schäden bei Gefahrstofflagern können Brände, Explosionen oder das Austreten von giftigen Substanzen verursachen.

Große Schäden in den letzten Jahren

Die folgenden Beispiele veranschaulichen die vielfältigen Auswirkungen von Erdbeben auf den Halbleitermarkt und somit auf die weltweite Halbleiterindustrie:
Datum Ort Stärke Folgen
11. März 2011 Japan (Tohoku) M 9,0 Massive Unterbrechung des globalen Chip-Angebots, weltweite Preisschwankungen
6. Februar 2016 Taiwan (Kaohsiung) M 6,7 Werksschließungen, Lieferengpässe, Preissprünge
14. April 2016 Japan (Kumamoto) M 7,3 Beschädigung von Anlagen, Produktionsstopps, weltweite Lieferengpässe bei Halbleitern
15. November 2017 Südkorea (Pohang) M 5,5 Geringe Auswirkungen, rasche Wiederaufnahme der Produktion dank Pufferbeständen
6. Februar 2018 Taiwan (Hualien) M 6,4 Rohstoffmangel, gestörte Belieferung der nachgelagerten Betriebe
16. März 2022 Japan (Honshu) M 7,3 Werksschließungen in der Automobil- und Chip-Industrie, weltweite Lieferkettenunterbrechungen
3. April 2024 Taiwan (Hualien) M 7,4 Weitreichende Schäden bei Anlagen, Werksschließungen, erhebliche wirtschaftliche Verluste und Versicherungsschäden
21. Januar 2025 Taiwan (Süden) M 6,0 Keine größeren Bauschäden, aber Anlagenschließungen und erhebliche Mengen an Wafer-Ausschuss

Die Rolle der Assekuranz

Die Versicherungsbranche sollte ihre Rolle nicht auf das Underwriting beschränken, sondern Kunden aktiv mit Risikoprävention und optimierter Risikogestaltung unterstützen – besonders bei Hochrisikoszenarien wie Erdbeben. Der Halbleitersektor ist angesichts seiner Abhängigkeit von Präzisionsfertigung und unterbrechungsfreier Stromversorgung überaus anfällig für Schäden durch Erdbeben und Brände. Aufgrund seiner komplexen und hochgradig voneinander abhängigen Lieferketten führen Störungen potenziell zu erheblichen Verlusten durch Geschäftsunterbrechungen. Um das nachhaltige Wachstum der Industrie zu schützen, sollten Versicherer in enger Zusammenarbeit mit den Halbleiterunternehmen robuste Risikopräventionssysteme entwickeln und die allgemeinen Praktiken des Risikomanagements ausbauen.
Durch eine frühe Einbindung aller Stakeholder – einschließlich Versicherern – während der Konstruktions- und Bauphasen von Halbleiterprojekten können fortschrittliche seismische Technologien und Katastrophenschutznormen nahtlos integriert werden. Dieser proaktive Ansatz hilft, kostspielige Nachrüstungen und Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, die durch die verspätete Umsetzung wichtiger Maßnahmen wie Maschinenverankerung und Erdbebensicherung verursacht werden können. Durch die Beteiligung an Entwurfsprüfungen schon in Frühphasen können Versicherer darauf hinwirken, dass eine erdbebensichere Auslegung von Anfang an integriert wird – die Vorteile: verringerte zukünftige Risikoexposition, optimierte Lebenszykluskosten und insgesamt verbesserte Anlagenstabilität und -verfügbarkeit.
Versicherer können sich gezielt einbringen, indem sie die Versicherungsnehmer zur Einhaltung sowohl nationaler Erdbebenschutznormen als auch international anerkannter Standards wie NFPA 318 und FM Global Data Sheet 7-7 anhalten. Dieser auf zwei Standards beruhende Ansatz ermöglicht den Aufbau eines umfassenden mehrschichtigen Schutzrahmens, mit dem physische Schäden erheblich verringert, Produktionsstillstände und wirtschaftliche Verluste minimiert sowie die Ausfallsicherheit und die Effizienz von Wiederherstellungsmaßnahmen erhöht werden können.
Angesichts der geografischen Konzentration von Halbleiterproduzenten müssen Versicherer das kumulative Risikopotenzial bewerten und sich aktiv für die Umsetzung von internationalen Standards einsetzen, um kaskadierende Schäden durch Naturkatastrophen einzudämmen. Die kontinuierliche Überwachung der versicherten Vermögenswerte, der baulichen Integrität und der Sicherungsmaßnahmen – unterstützt durch fortschrittliche Datenmodellierung und Szenarioanalyse – ermöglicht ein effektiveres Management der gesamten Risikoexponierung und mindert die Anfälligkeit für katastrophale Ereignisse.

Damit Halbleiterhersteller auch im Katastrophenfall die Produktion aufrechterhalten können, sollten Versicherer sie ermutigen, umfassende Risikosteuerungsrahmen zu entwickeln und sie dabei tatkräftig unterstützen. Außerdem sollten sie aktive Hilfestellung beim Ausbau der Systeme für Business Continuity Management (BCM) und Disaster Recovery Planning (DRP) geben. Zu den wichtigsten Strategien gehören folgende:

  • Redundante Konfigurationen für produktionskritische Anlagen
  • Flexible Anbindung an Versorgungsunternehmen und Systeme für seismische Isolierung
  • Remote-Backups für IT-Infrastruktur
  • Umfassende Notfallpläne und regelmäßige Übungen
  • Belastungstests für wesentliche Lieferkettenknoten

In Anbetracht der wachsenden Herausforderungen durch die zunehmenden Gefahren ist die Versicherungsbranche gut beraten, intensiver mit den Halbleiterproduzenten zusammenzuarbeiten. Wenn Primärversicherer ihre Kunden im Halbleitersektor schon früh in der Projektplanung ermutigen, lokale Normen zum Erdbebenschutz und fortschrittliche internationale Praktiken umzusetzen, können sie zum Aufbau von sicheren, zuverlässigen und belastbaren Fertigungssystemen beitragen.

Als Rückversicherer bringt Munich Re seine globale und lokale Expertise sowie jahrzehntelange Erfahrung im Hightech-Sektor ein, um Erstversicherer bei der Identifizierung und Steuerung von Katastrophenrisiken und Halbleiterindustrie-spezifischen Risiken zu unterstützen. 

Experten

Min Liu
Min Liu
NatCat Consultant & Underwriter, Property Treaty, Munich Re Greater China
Steven Cui
Steven Cui
Senior Underwriter (Property), F&C, Munich Re Greater China
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