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Immuntherapie – die neue Hoffnung im Kampf gegen Krebs
Immuntherapie – die neue Hoffnung im Kampf gegen Krebs
© Mike Brown/Reuters/Corbis
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    Die Euphorie ist groß: Fast täglich erscheinen neue Berichte über die Erfolge der Immuntherapie. Viele Krebspatienten profitieren davon bereits, einige sind sogar geheilt. Bei anderen verursachen die aktivierten körpereigenen Abwehrreaktionen dagegen zusätzliche Komplikationen. Außer Frage steht jedoch, dass die Therapie neue Perspektiven eröffnet – in der Medizin wie in der Versicherungswirtschaft.
    Allein in Deutschland leiden rund 1,5 Millionen Menschen unter Tumorerkrankungen. Elvira Z. gehörte dazu. Die Immobilienmaklerin erhielt 2005 im Alter von 36 Jahren die Diagnose Morbus Hodgkin. Nach einer Chemotherapie sah es zunächst gut aus – bis der Krebs anderthalb Jahre später zurückkam. Das war ein Schock für Elvira Z., denn damit gehörte sie zu einer Patientengruppe,  für die bisher kaum mehr Hoffnung auf Heilung bestand.

    Revolution in der Tumortherapie

    Die Maklerin hatte Glück im Unglück. Sie erhielt die Chance, neue Medikamente zu testen und an einer experimentellen Immuntherapie teilzunehmen. Wie wirksam diese Behandlungsform bei vermeintlich austherapiertem Morbus Hodgkin ist, zeigte zuletzt eine 2015 veröffentlichte Studie1. Demnach verbessert die Immuntherapie den Gesundheitszustand bei 87 Prozent der Patienten, bei 26 Prozent bildet sich der Krebs sogar vollständig zurück – so wie bei Elvira Z.!

    Angesichts solcher Resultate sprechen einige Beobachter von einer Revolution in der Tumortherapie. Für Morbus Hodgkin mag dies zutreffen, generalisieren lässt sich die Aussage aber nicht. Im Gegenteil: Die Behandlungserfolge fallen je nach Art und Ausprägung der Krebserkrankung sehr unterschiedlich aus und können von Patient zu Patient stark schwanken. Bei dem einen schlägt die Therapie an, beim anderen löst sie zusätzliche und zum Teil schwere Komplikationen aus. Wie ist diese enorme Bandbreite zu erklären und was passiert bei der Immuntherapie eigentlich? 

    Das körpereigene Immunsystem ist der Schlüssel

    Unser Immunsystem ist äußerst komplex und arbeitet mit Steuerungsmechanismen, die bislang nur ansatzweise bekannt sind. Eine Hauptrolle spielen die sogenannten T-Zellen. Diese Abwehrzellen sind in der Lage, Eindringlinge wie Viren, Bakterien und eben auch Krebszellen zu erkennen und zu eliminieren. Die T-Zellen lösen dafür eine kontrollierte Immunreaktion aus. Diese muss so stark sein, dass sie alle Schadzellen zerstört, ohne das gesunde Eigengewebe allzu sehr zu beschädigen.

    Die Aktivität der T-Zellen wird über Immunmoleküle gesteuert. Diese wirken entweder aktivierend (stimulatorisch) oder hemmend (inhibitorisch) auf die Abwehrzellen – und sie wirken genau an den Stellen, über die unsere T-Zellen zum Beispiel mit Krebszellen interagieren. In der Medizin heißen diese Interaktionsstellen Immun-Checkpoints. Jede T-Zelle verfügt über Hunderte solcher Checkpoints und überprüft damit laufend die Moleküle anderer Zellen, um deren Identität zu klären.

    Melden alle Immun-Checkpoints körpereigene und damit immunhemmende Moleküle, bleibt die T-Zelle im Ruhemodus. Aktiv wird sie, sobald erste Immun-Checkpoints alarmierende Moleküle identifizieren – die Stärke der Abwehrreaktion steigt mit der Anzahl der pro T-Zelle gleichzeitig Alarm meldenden Immun-Checkpoints. 

    Den Krebs mit seinen eigenen Strategien besiegen

    Warum dieser Mechanismus nicht immer funktioniert, sodass sich Krebszellen im Körper vermehren können? Die Antwort auf diese Frage lieferte eine Erkenntnis, die der Immuntherapie letztlich zum Durchbruch verhalf. Es war die Erkenntnis, dass einige Tumorzellen ihre Identität verschleiern, indem sie körpereigene Moleküle imitieren. An den Immun-Checkpoints fallen diese nicht auf. Die T-Zelle wird nicht alarmiert, ihre Aktivität bleibt gehemmt.

    Einer ähnlichen Strategie bedient sich nun auch die Immuntherapie – allerdings mit gegenteiligen Zielen. Die medizinische und pharmakologische Forschung kann heute mithilfe neuer molekulargenetischer Methoden erste maßgeschneiderte Antikörper entwickeln. Diese sind entweder so designt, dass sie von den Immun-Checkpoints fälschlicherweise als bestimmte Tumormoleküle identifiziert werden und die Immunreaktion verstärken. Oder es handelt sich um Antikörper, die an den Immun-Checkpoints bestimmte Rezeptoren für hemmende Moleküle blockieren und so die Abwehraktivitäten der T-Zellen erhöhen.

    Vorteile und aktuelle Grenzen der Immuntherapie

    Auch wenn die Immuntherapie neben Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie schon jetzt als vierte Säule der Krebsmedizin gilt, stehen wir erst am Anfang eines langen Weges. Richtig ist: Die Erfolge bei Morbus Hodgkin und anderen Krebsarten wie etwa dem Schwarzen Melanom sind bemerkenswert. Und Patienten, die gut auf die neuen Therapien ansprechen – es gibt leider auch viele andere –, haben keine langfristigen Nebenwirkungen wie bei konventionellen Krebstherapien zu befürchten.

    Richtig ist aber auch, dass die Wissenschaft noch nicht vorhersagen kann, für welche Patienten die Immuntherapie in welcher Form geeignet ist und bei welchen Tumoren sie überhaupt infrage kommt. Darüber sowie über die individuelle Wirksamkeit und den Behandlungserfolg entscheiden molekulare Mechanismen, die noch weitgehend unbekannt sind. Ähnlich groß sind die Fragezeichen bei den therapeutischen Substanzen selbst: wie sie genau auf das Immunsystem wirken, ist noch nicht ausreichend erforscht. Hinzu kommen viele weitere offene Fragen.

    Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft

    Rund um die Immuntherapie sind also noch viele Entwicklungsaufgaben zu lösen – in der Medizin und Pharmakologie ebenso wie in der privaten Kranken- und Lebensversicherung. Gerade hier stehen die Anbieter vor neuen Aufgaben, aber auch Chancen. Beispiel Kosten: Individuelle Immuntherapien sind teuer, sodass bei ersten Krankenversicherern schon bis zu 15 Prozent der Krebsbehandlungskosten auf Immuntherapien entfallen. Tendenz steigend. Denn wer die Kostenübernahme für eine Behandlung mit dem Hinweis auf fehlende Langzeitstudien und nicht zugelassene Medikamente ungeprüft ablehnt, geht große Reputationsrisiken ein. Auf der anderen Seite wird der Kostendruck staatliche Krankenversicherungssysteme zunehmend belasten und je nach Organisation des nationalen Gesundheitswesens neue Versicherungsbedarfe wecken. Diese Bedarfe mit geeigneten Produkten zu erfüllen – beispielsweise in Form von Zusatzversicherungen –, ist für private Kranken- und Lebensversicherer eine Aufgabe und Chance zugleich.

    Die Kosten sind jedoch nur ein Aspekt. Ein zweiter großer Aspekt sind die zu erwartenden Veränderungen der Mortalität und Morbidität, denn immer mehr Krebserkrankungen entwickeln sich von tödlichen Krankheiten hin zu chronischen Beeinträchtigungen. Die Assekuranz muss diese erfreulichen Entwicklungen sehr eng monitoren und ihre Einschätzungsgrundlagen und Methoden für die Risiko- und Schadensprüfung laufend aktualisieren. Dies erfordert in größerem Umfang als bisher profunde medizinische und aktuarielle Expertise. Nur damit ist es möglich, die Versicherbarkeit zügig auszuweiten und dem medizinischen Fortschritt auch künftig möglichst nah auf den Fersen zu bleiben.

    1 Ansell, S.M., et al., PD-1 blockade with nivolumab in relapsed or refractory Hodgkin's lymphoma. N Engl J Med, 2015. 372(4): p. 311-9.
    Experten
    Alban Senn
    Dr. Alban Senn
    Chief Medical Officer, Head of Medical Research & Development

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