
Pedelecs und E-Bikes - die unterschätzte Gefahr
Rund 900.000 E-Bikes und Pedelecs sind mittlerweile auf deutschen Straßen unterwegs. Doch dieser Trend birgt auch neue Risiken. Vielen Pedalisten ist zudem nicht bewusst, dass sie ohne Versicherungsschutz fahren.
Der Wind kommt immer von vorne – diese alte Radlerweisheit gilt nicht mehr für alle Radfahrer. Denn wer auf einem Pedelec (Pedal Electric Cycle) tüchtig in die Pedale tritt, hat den Rückenwind fest eingebaut. Ein kleiner Elektromotor unterstützt beim Pedalieren bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h, dann regelt er ab. Allein in Deutschland wollten im vergangenen Jahr 300.000 Radfahrer diesen Luxus nicht missen und griffen zu Pedelecs und E-Bikes. Insgesamt sind Schätzungen zufolge rund 900.000 Elektrofahrräder auf deutschen Straßen unterwegs. Der Branchenverband der Zweiradindustrie rechnet damit, dass 2012 weitere 400.000 Pedelecs und E-Bikes über die Ladentheke gehen.
Neue Risiken trüben das Vergnügen
Längst sind es nicht mehr nur Senioren, die sich von der Kraft aus der Steckdose unterstützen lassen. Die Zweiradindustrie entwickelt vermehrt sportliche Produkte, die auch die jüngere Zielgruppe ansprechen. Doch der Boom der Elektrofahrräder birgt auch neue Gefahren, wie eine Studie der Unfallforschung der Versicherung (UDV) 2011 ergeben hat.
Pedelecs sind nicht nur im Schnitt schneller unterwegs als klassische Fahrräder, sondern erreichen auch höhere Maximalgeschwindigkeiten. Das führt nicht nur auf schmalen Radwegen zu riskanten Überholmanövern. Andere Verkehrsteilnehmer können überdies die Geschwindigkeit der Radfahrer schlechter einschätzen – eine besondere Gefahrenquelle an Ausfahrten und Kreuzungen. Senioren oder Radfahrer mit Kinderanhängern sind nun viel schneller unterwegs, als aus der Erfahrung gelernt. Das kann so manchen Autofahrer überraschen und zu schweren Unfällen führen.
Ist das noch ein Fahrrad?
Fahrräder mit Elektromotoren gibt es in unterschiedlichen Ausführungen zu kaufen: Versionen mit einer reinen Motorunterstützung beim Treten, mit einer Anfahrhilfe bis 6 km/h oder mit Motorantrieb. Im Wesentlichen können je nach Antriebsart, Motorleistung und Höchstgeschwindigkeit 6 Klassen unterschieden werden – nicht alle werden von Versicherungen als Fahrräder behandelt. So ist insbesondere darauf zu achten, ob die Privathaftpflichtversicherung ausreicht, um Schäden zu regulieren, bzw. das Elektrorad gegen Diebstahl in der Hausratversicherung eingeschlossen werden kann.
Denn vielen Fahrern dürfte nicht klar sein, dass sie mit einem schnellen Pedelec, das bis 45 km/h Tretunterstützung bietet, gar nicht mehr auf einem Fahrrad unterwegs sind. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um ein Kleinkraftrad, das versicherungspflichtig ist. Eine private Haftpflichtversicherung kommt für Schäden bei Dritten in diesem Fall nicht mehr auf.
Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags sollen Klarheit schaffen
Die bisherige Diskussion entzündete sich in erster Linie an der Klassifizierung der schnellen Pedelecs und der Frage, wie man die Anfahrhilfe bei normalen Pedelecs zu bewerten hat. Je nach Standpunkt wurde daher eine generelle Helmpflicht oder die Ausstattung mit Richtungsanzeigern und Bremslicht gefordert. Insbesondere die deutsche Versicherungswirtschaft drängte angesichts der besonderen Gefahrenpotenziale auf eine strenge Regelung.
Der Deutsche Verkehrsgerichtstag, dessen Empfehlungen die deutsche Verkehrsgesetzgebung traditionell stark beeinflussen, hat sich kürzlich auf seiner diesjährigen Tagung dieses Themas angenommen.
Ergebnis:
Fahrräder mit Trethilfe und einer Anfahr- oder Schiebehilfe bis 6 km/h sollen weiterhin als Fahrräder gelten, wenn die Motorleistung 250 Watt nicht überschreitet.
Den Fahrern wird das Tragen eines Helms und der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung empfohlen.
Pedelecs sind für die Benutzung durch Kinder unter 14 Jahren nicht geeignet.
Der Gesetzgeber wird aufgefordert zu regeln, dass schnelle Pedelecs mit einer Unterstützung der Radfahrenden bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h insbesondere in Hinblick auf Fahrerlaubnisrecht, Helmtragepflicht und Zulassungsrecht als Kleinkrafträder zu behandeln sind. Die Industrie wird aufgefordert, hierfür zeitnah geeignete Helme zu entwickeln.
Da Pedelecs derzeit in keine Unfallstatistik eingehen, soll ihre Beteiligung an Verkehrsunfällen ist bei der Unfallaufnahme gesondert erfasst und wissenschaftlich ausgewertet werden. Lässt sich hier eine eine überproportionale Unfallbeteiligung erkennen, wird der Gesetzgeber aufgefordert, kurzfristig erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.