
Insurance Market Outlook 2018/2019
Die globale Versicherungswirtschaft wächst 2018 und 2019 stärker als die Weltwirtschaft. Wir erwarten in diesem und im nächsten Jahr einen Anstieg der globalen Prämien um insgesamt mehr als 460 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Prämienwachstum von durchschnittlich 5,3% pro Jahr (real, also inflationsbereinigt: 3,7%), wohingegen das globale BIP voraussichtlich nur um 4,9% (real 3,3%) wachsen wird. Vor allem die Lebensversicherung wird nach einem schwachen Jahr 2017 wieder zu starkem Prämienwachstum von 5,6% p.a. zurückkehren (real: 3,9%). Die Schaden-Unfall-Versicherung profitiert vom aktuell günstigen Konjunkturumfeld. In diesem Segment erwarten wir Wachstumsraten von knapp 5% pro Jahr (real: 3,3%). Wachstumstreiber sind vor allem die Schwellenländer, doch auch etwas stärkere Zuwachsraten in den volumenstarken Industrieländern tragen zur positiven Entwicklung bei.

China kommt bei dieser langfristigen Betrachtung eine besonders wichtige Bedeutung zu: fast ein Drittel der zwischen 2018 und 2030 prognostizierten zusätzlichen Prämieneinnahmen werden in diesem Land generiert.
Bei der langfristigen Betrachtung sollten die aktuell viel diskutierten InsurTechs für das Marktwachstum eine eher untergeordnete Rolle spielen. Während wir in Schwellen- und Entwicklungsländern einen gewissen Prämienwachstumsschub durch innovative Start-ups für möglich halten, rechnen wir in den Industrieländern eher nicht mit zusätzlichen Beitragseinnahmen. InsurTechs werden dort den Markt in ihrer Funktion als digitale Makler, aber auch durch Produktinnovationen und den Einsatz neuer Technologien entlang der Wertschöpfungskette erheblich verändern, allerdings ohne dass dies einen erheblichen Beitragszuwachs zur Folge haben dürfte.
Schaden- / Unfallversicherung

In den USA und in Westeuropa sollten Wachstumsraten zwischen 3,5% und 4% (real: um die 2%) erreicht werden und damit leicht über dem Wachstum in 2017 liegen. Auch in den gesättigten Märkte Asien erwarten wir 2018 eine geringe Wachstumssteigerung, 2019 jedoch dürfte die geplante Mehrwertsteuerhöhung in Japan die dortige Konjunktur und infolge auch das Prämienwachstum leicht eintrüben.
In den Schwellenländern erwarten wir 2018/2019 hohe Wachstumsraten von durchschnittlich 9,5% (real: 7,9%). In einigen lateinamerikanischen Märkten – allen voran Brasilien – sollte sich die wirtschaftliche Erholung positiv auf die Schaden-Unfall-Prämien auswirken. In der Region rechnen wir 2018/2019 wieder mit einem Wachstum um die 6% (real: 4%). In der MENA-Region gehen wir von einem stabilen Wachstum auf hohem Niveau aus, in Afrika südlich der Sahara von einer Normalisierung nach einem außerordentlich starkem Wachstum 2017 infolge einer verbesserten Konjunkturentwicklung und deutlichen Ratenerhöhungen in Südafrika.
Rückläufige Wachstumsraten erwarten wir in Osteuropa und auch in den Schwellenländern Asiens, wo die Prognosen maßgeblich von den Entwicklungen in China abhängen. Dort gehen wir bis 2019 zwar von einem sehr hohen Wachstum von durchschnittlich 14% (real mit durchschnittlich knapp 11% immer noch im zweistelligen Bereich) aus, allerdings rechnen wir hier – der wirtschaftlichen Entwicklung folgend – mit einer langsamen Abflachung.
Lebensversicherung

Treiber hierfür sind die USA und China. In den USA sanken die Prämien 2017 laut vorläufigen Zahlen real um mehr als 4%. Grund hierfür war ein rückläufiges Geschäft mit Rentenversicherungsprodukten (annuities) aufgrund von politischen und regulatorischen Unsicherheiten. 2018 und 2019 erwarten wir – unterstützt durch steigende Zinsen – ein Rückkehr zu positivem Wachstum, mit deutlichen Auswirkungen auf die globalen Zahlen. Denn die USA sind heute mit einem weltweiten Marktanteil von knapp 20% der wichtigste Lebensversicherungsmarkt. Auf Platz drei liegt in diesem Ranking hinter den USA und Japan bereits China mit einem Marktanteil von über 12%. Kein Wunder also, dass die dortigen hohen Wachstumsraten von fast 20% (real über 15%) aufgrund des nach wie vor zu beobachtenden Aufholpotenzials ebenfalls einen wichtigen Treiber für das globale Prämienwachstum darstellen.
In Westeuropa und den entwickelten Märkten Asiens erwarten wir ein mäßiges Wachstum infolge der anhaltend niedrigen Zinsen, während wir in den Schwellenländern – mit Ausnahme von Afrika südlich der Sahara geprägt durch die Entwicklungen in Südafrika – von einem tendenziell höheren Trendwachstum ausgehen. In Osteuropa dürften die extrem hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre in Russland langsam abflachen, in Lateinamerika rechnen wir nach einem rezessionsbedingten niedrigen Wachstum 2017 wieder mit einer Erholung.
Langfristiger Ausblick




Welchen Einfluss haben InsurTechs auf die Marktentwicklung?
In den gesättigten Märkten, also den industrialisierten Ländern, haben InsurTech-Unternehmen in den vergangenen drei bis vier Jahren deutlich an Bedeutung zugenommen, ein zusätzliches Prämienwachstum ist hier aber aufgrund des hohen Sättigungsgrades kaum zu erwarten. Auch eine breite Verdrängung traditioneller Versicherungsunternehmen durch Start-ups halten wir für wenig wahrscheinlich, denn hohe Kapitalanforderungen und Regulierung erschweren in den Industrieländern das Erwerben einer Versicherungslizenz für neue Player. Die meisten InsurTechs agieren heute als digitale Makler oder in Partnerschaften mit traditionellen Erst- und Rückversicherungsunternehmen. Gerade in ihrer Funktion als digitale Makler stellen InsurTechs zwar eine Konkurrenz für den traditionellen Vertrieb dar und es kann zu einer Verschiebung der Marktanteile kommen – die Auswirkungen auf das marktweite Prämienvolumen insgesamt in den Industrieländern dürfte aber aller Voraussicht nach eher gering sein.
Eine andere Rolle kommt den InsurTechs in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu. FinTechs im allgemeinen wird in den Emerging Markets ein großes Wachstumspotenzial zugesprochen. Studien1 zufolge könnte in diesen Märkten allein durch FinTech-Unternehmen bis zu Jahr 2025 ein zusätzliches BIP von 3,7 Billionen USD erwirtschaftet werden, da der Zugang zu Finanzkonten via Mobiltelefon erleichtert wird. Länder mit niedrigen Pro-Kopf-Einkommen wie etwa Äthiopien, Indien oder Nigeria könnten 10-12 % ihres BIPs von 2025 durch FinTechs hinzugewinnen, Länder mit mittleren Einkommen wie Brasilien, China oder Mexiko immerhin noch 4-5%.
Diese möglichen Entwicklungen bergen auch für die Versicherungswirtschaft zusätzliches Potenzial. Denn mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen nimmt auch die Versicherungsdurchdringung (Prämien in % des BIP) zu, die in den Schwellenländern, aber vor allem in den Entwicklungsländern, derzeit meist noch niedrig ist und ein enormes Aufholpotenzial hat.


Zudem profitieren InsurTech-Start-ups von den Errungenschaften der FinTech-Unternehmen. Denn mit neuen Finanztechnologien kann auch das Produktangebot von Versicherungen erweitert werden, es können alternative Vertriebsformen entstehen und zusätzliche Kundengruppen erreicht werden. InsurTech-Unternehmen können also eine wichtige Rolle in diesen bislang unterentwickelten Versicherungsmärkten einnehmen, indem sie einfache, innovative und bedarfsgerechte Produkte digital anbieten und damit neue Märkte erschließen.
Ein Beispiel hierfür sind Microinsurance Start-ups: Via Handy können für Kranken- oder Ernteversicherung mit relativ geringen Prämien und Deckungssummen Verträge abgeschlossen, Prämien gezahlt, Schäden gemeldet und Leistungen ausbezahlt werden. Gerade in vielen Ländern Afrikas mit hoher Mobiltelefondichte können diese InsurTech Start-ups dem Beitragswachstum zusätzlichen Schub verleihen.
1How digital finance could boost growth in emerging economies, McKinsey Global Insitute, September 2016, in: FinTechnicolor: The New Picture in Finance

