
Wie künstliche Intelligenz unsere Volkswirtschaften transformieren wird
Künstliche Intelligenz gilt vielen als revolutionärer Fortschritt. Steuerungssysteme für Züge, die selbst über das nächste Wartungsintervall entscheiden, gibt es schon. Auch die Entlastung von Pflegern in Kliniken bei der Betreuung von Patienten durch Roboter scheint machbar. Von allen Technologiesprüngen durch Digitalisierung ist künstliche Intelligenz derjenige, der unsere Art zu wirtschaften, zu produzieren, zu konsumieren und zu arbeiten am stärksten verändern könnte.
Künstliche Intelligenz ergänzt menschliche Arbeitskraft und steigert die Produktivität

Im Gegensatz zu anderen Technologiesprüngen kann künstliche Intelligenz menschliche Arbeitskraft nicht nur ersetzen, sondern vielmehr auch ergänzen. Beispielsweise kann ein Arzt bei der Diagnose auf einen riesigen Wissensschatz zurückgreifen, der von einem intelligenten digitalen Assistenten durchforstet wird.
Versicherungsmarkt wird von künstlicher Intelligenz profitieren
Eine sehr optimistische Studie von Accenture und Frontier Economics erwartet für das Jahr 2035 einen durch künstliche Intelligenz bedingten Anstieg der Arbeitsproduktivität in elf westlichen Industrieländern und Japan um etwa 10 bis 40 Prozent. Folgt man den Autoren, so wird der flächendeckende Einsatz künstlicher Intelligenz das Wirtschaftswachstum in den genannten Ländern bis 2035 verdoppeln. Aber auch wenn man diesen Optimismus nicht teilt, kann man von positiven Wachstumseffekten ausgehen.
Auch die Versicherungswirtschaft könnte durch künstliche Intelligenz positive Impulse erhalten, und zwar nicht nur durch die rein gesamtwirtschaftlich getriebenen Impulse. Rund um künstliche Intelligenz werden bereits heute neue Produkte entwickelt, so zum Beispiel Deckungen für selbstfahrende Autos, vernetzte Fabriken, smarte Sensoren oder für Schäden durch Cyberkriminalität. Aber auch in internen Prozessen im Underwriting, in der Schadenanalyse, im Asset- und Risikomanagement wird in Zukunft künstliche Intelligenz zur Anwendung kommen. Beispielsweise könnten Sachschäden im Massengeschäft anhand von Bildmaterial automatisiert beurteilt werden – und zwar deutlich detaillierter als dies bisher möglich ist. Ebenso könnten Investitionsentscheidungen durch die Analyse großer Mengen unstrukturierter Daten noch schneller und informierter getroffen werden als bisher.
Arbeitswelt wird sich grundlegend verändern
Droht also ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit, wenn alle diese Aufgaben in Zukunft von intelligenten Maschinen übernommen werden? Wirtschaftlicher Strukturwandel ist eine Konstante der Geschichte und trotzdem – oder vielmehr genau deshalb – stieg der Wohlstand kontinuierlich und fanden Menschen neue Tätigkeitsfelder. Die OECD geht davon aus, dass in entwickelten Volkswirtschaften insgesamt 9 Prozent aller Stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig durch Automatisierung wegfallen werden, während viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Allein die Einführung und Fortentwicklung von künstlicher Intelligenz in den verschiedensten Lebensbereichen wird die Nachfrage nach IT- und sonstigen Fachkräften aber enorm steigern. Zudem wird der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch künstliche Intelligenz häufig aus ökonomischen oder gesellschaftlichen Gründen nicht erwünscht sein. Auch dürften kreative Tätigkeiten oder solche, die ein hohes Maß an sozialer Interaktion erfordern, wie beispielweise Designer oder Kindergärtner, in einer zunehmend digitalisierten Welt an Bedeutung gewinnen.
Lebenslanges Lernen und IT-Knowhow werden unverzichtbar sein

Darüber hinaus werden der Einsatz künstlicher Intelligenz und die damit verbundenen Produktivitätszuwächse sehr wahrscheinlich die Reallöhne steigen lassen. Gleichzeitig kann zukünftig die gleiche Wertschöpfung durch weniger menschliche Arbeitsleistung erzielt werden, so dass die Wochenarbeitszeit insgesamt zurückgehen wird. Sollte also künstliche Intelligenz die an sie gestellten Erwartungen erfüllen, dürfte der Wohlstand wachsen und sich der in den meisten entwickelten Volkswirtschaften zu beobachtende Trend rückläufiger Arbeitszeiten fortsetzen.
Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die die Verbreitung der künstlichen Intelligenz mit sich bringen wird, stellen sich sehr grundlegende, auch ethische Fragen. Die müssen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beantwortet werden.

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