
Marktausblick Cyber-Versicherung
Cyber-Bedrohungen zählen zu den größten Risiken des Jahrhunderts. Nicht nur die IT-Sicherheit hinkt den wachsenden Risiken hinterher, sondern auch der Versicherungsschutz. In großen Unternehmen sieht man Cyber-Attacken schon länger als ernsthafte Bedrohung und schützt sich mit entsprechenden Versicherungspolicen. Mittlerweile steigt aber auch bei kleineren Unternehmen die Nachfrage nach Cyber-Deckungen – insbesondere nach den spektakulären Cyber-Angriffen der jüngsten Zeit.
Deckungsaspekte
Die auf dem Markt erhältlichen Cyber-Deckungen lassen sich nur schwer vergleichen, denn viele Anbieter – Versicherer wie Makler – entwickeln eigene Vertragswordings und setzen unterschiedliche Schwerpunkte auf Sach- bzw. Haftpflichtelemente. Die Cyber-Gefahr ist allgegenwärtig. Auch klassische Versicherungen können von Schadenansprüchen betroffen sein. Deshalb haben einige Anbieter ihre herkömmlichen Sach- oder Haftpflichtpolicen durch Cyber-Erweiterungen ergänzt. Generell weist der Trend allerdings in Richtung eigenständige Cyber‑Versicherung.
Das Kumulpotenzial von Cyber-Risiken lässt sich derzeit nicht klar abschätzen. Zum einen kann aufgrund der hochgradigen Vernetzung ein einzelnes Cyber-Ereignis sehr viele eigenständige Cyber-Policen betreffen, da diese häufig auch Rückwirkungsschäden (CBI) decken. Infolge der zunehmenden Verbreitung des Internet of Things steigt mit dem Vernetzungsgrad auch das Ausmaß der potenziellen Schäden.
Zudem sind Cyber-Risken in herkömmlichen Versicherungen nicht explizit ausgeschlossen, da sie noch vor einigen Jahren nicht relevant waren. Hier gilt es entsprechend gegenzusteuern. Cyber-Sicherheit ist ein Thema für die Chefetage, denn: Fehlen ausreichende IT-Sicherheitsmaßnahmen und entsprechende Kontrollen, kann im Falle eines Cyber-Angriffs unter Umständen die Geschäftsführung in Haftung genommen werden.
Munich Re hat Expertenteams gebildet, um die Exponierungen und deren Entwicklung zu überwachen. Problematisch sind insbesondere unbekannte Kumule, bei denen eine Vielzahl von Policen gleichzeitig von Schäden betroffen sein könnte. Mögliche Ausgangspunkte für Kumulszenarien sind:
- Deckungsüberschneidungen zwischen verschiedenen Versicherungssparten
- Deckung von Rückwirkungsschäden
- Ausfall externer Netzwerke wie Internet, Telekommunikations- oder Versorgungsnetze
- Sonstige Dienstleister mit hoher Kundenkonzentration wie Cloud-Anbieter oder DNS-Server
- Sicherheitslücken in gängiger Standard-Software
Ein Internetausfall birgt für Versicherer und Rückversicherer Kumulgefahren in erheblicher Größenordnung. Deshalb ist es wichtig, die einschlägigen Vertragsbestimmungen genau zu kennen und zu wissen, inwieweit Deckung besteht.
Marktsituation
In dieser angespannten Situation sind neue Geschäftsmöglichkeiten natürlich hoch willkommen. Und die Zahlen sind vielversprechend: Ende 2016 lag das weltweite Beitragsaufkommen für Cyber-Versicherungen Schätzungen zufolge bei über vier Milliarden US-Dollar. Davon entfielen rund 80 Prozent auf die USA, die restlichen 20 Prozent kommen aus Europa und Asien. Hier zeigt der Trend nach oben: Man geht davon aus, dass das Beitragsaufkommen in Europa von 300 Millionen US-Dollar im Jahr 2016 bis 2018 auf 900 Millionen US-Dollar steigt – ein Zuwachs von 200 Prozent innerhalb von nur zwei Jahren.
Herausforderungen und Chancen für die Assekuranz
Wie in anderen Sparten liegt das Beitragsniveau in den USA aufgrund strengerer gesetzlicher Vorschriften erheblich höher als in Europa. Das liegt an den hohen Benachrichtigungskosten, insbesondere nach einer Datenpanne. Mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 ändert sich die Rechtslage in der EU. Während große, insbesondere hoch exponierte Unternehmen wie Finanzinstitute, Einzelhändler und Gesundheitsunternehmen ihre Versicherungsprogramme erweitern und bei der Erneuerung zuweilen doppelt so viel Kapazität einkaufen wie bisher, verläuft der Trend bei den kleinen und mittleren Unternehmen langsamer.
Underwriting von Cyber-Risiken
Die Versicherten halten sich häufig zurück, wenn es darum geht, Details über bestehende Sicherheitsmaßnahmen oder bereits erfolgte Cyber-Angriffe mitzuteilen. Angesichts der Sensitivität dieser Informationen besteht hierfür seitens der Versicherer auch Verständnis. Allerdings behindert diese Zurückhaltung eine adäquate Preisfindung und bremst den Lernprozess für alle Seiten – für die Versicherten ebenso wie für die Erst- und Rückversicherer.
Zudem sind wichtige Informationen für eine sachgerechte Risikoprüfung häufig nicht verfügbar. Dazu gehören Zertifizierungen und Risikobeurteilungen durch unabhängige Dritte, Geschäftskontinuitätspläne sowie Informationen zu Cyber-Schutzmaßnahmen und zur Verankerung des Themas im Topmanagement. Fakt ist: eine Versicherung kann die Cyber-Strategie eines Unternehmens und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergänzen, aber keinesfalls ersetzen.
Nicht nur die Cyber-Risiken verändern sich – auch der Versicherungsschutz wird ständig weiterentwickelt. Einerseits sind wir mit immer neuen Arten von Angriffen konfrontiert, wie DDoS-Attacken oder Ransomware zur Erpressung von Bitcoin-Lösegeldzahlungen. Andererseits müssen auch die Cyber-Deckungen immer wieder neue Aspekte berücksichtigen, wie die DSGVO oder die Auslagerung von Diensten an Cloud-Anbieter. Komplexe, aus mehreren Stufen bestehende Versicherungskonstrukte mit einer Vielzahl von beteiligten Erst- und Rückversicherern und komplizierten Vertragstexten machen es zuweilen unmöglich, bei der Erneuerung den Versicherungsschutz in geeigneter Weise anzupassen. Das birgt erhöhte Risiken für sämtliche Beteiligten, einschließlich der Makler.
Fazit

