
Feuersturm in Fort McMurray
Hohe Temperaturen und lebhafte Winde ließen Waldbrände in der kanadischen Provinz Alberta im Frühjahr 2016 rasch außer Kontrolle geraten. Am Ende stand eine der teuersten Naturkatastrophen in der Geschichte Kanadas.
Das Feuer bahnte sich seinen Weg nach Nordalberta, bedrohte dort ein Tagebaurevier für Ölsand und zog weiter in die benachbarte Provinz Saskatchewan. Insgesamt war ein Gebiet von rund 590.000 Hektar von den Flammen betroffen, was etwa der doppelten Fläche von Luxemburg entspricht. Es dauerte gut zwei Monate, bis das Feuer am 5. Juli unter Kontrolle war.
Menschliche Ursache wahrscheinlich
Den Behörden zufolge ist der Auslöser für den verheerenden Brand weiter unbekannt. Blitzschlag schließen sie aus. Wahrscheinlich wurde das Feuer von einer oder mehreren Personen entzündet.
Aufgrund der idealen Bedingungen entwickelte der Waldbrand eine große Eigendynamik, und „the Beast“, wie er in der Bevölkerung genannt wurde, wuchs sich rasch zum Feuersturm aus. Die Hitze ließ ein eigenes Wettersystem von sogenannten „pyrocumulus clouds“ entstehen. Dabei strömten die vom Feuer angetriebenen Luftmassen in die Höhe, und es kam in den Rauchwolken ähnlich wie bei einem Gewitter zu elektrostatischen Entladungen. Die dadurch entstehenden Blitze können neue Feuer entzünden.
Neben Hitze und Trockenheit waren weitere Faktoren der raschen Ausbreitung der Brände förderlich. So boten die typische Holzkonstruktion der Gebäude sowie Kaminholzlagerung und die Holzzäune in der Gegend den Flammen eine ideale Nahrung, viele Dächer waren mit Holzschindeln gedeckt. Hinzu kam, dass Fort McMurray über die Jahrzehnte mit der zunehmenden Bedeutung des Ölsand-Abbaus stark gewachsen ist und Siedlungen ohne nötigen Mindestabstand zum Wald oder zu anderen feuergefährdeten Bereichen errichtet wurden. Hierbei zeigt die Erfahrung, dass Empfehlungen zum Brandschutz, etwa vertrocknete Nadeln oder Äste in den Siedlungen zu beseitigen und Dachrinnen regelmäßig zu reinigen, nicht immer umgesetzt werden.
Obwohl das Feuer gemessen am Ausbreitungsgebiet nur an vierter Stelle in der kanadischen Geschichte steht, ist es in Hinblick auf die zerstörten Werte die größte Naturkatastrophe des Landes. Das liegt vor allem an den Schäden in Fort McMurray mit seinen rund 80.000 Einwohnern, wo zehn Prozent der Gebäude den Flammen zum Opfer fielen. Ein Toter war während der Evakuierungen zu beklagen.

Schwieriger Produktionsanlauf
Aus Versicherungssicht interessant ist das „digitale“ Schadenmuster des Feuersturms. Während einige Gebäude oder zurückgelassene Fahrzeuge komplett niederbrannten, blieben benachbarte Häuser bis auf kleinere Schäden durch Hitzeeinwirkung weitgehend unversehrt. Zu erklären ist das damit, dass der Funkenflug durch die große Hitze einzelne Häuserreihen einfach übersprungen und erst dahinter weitere Feuer entfacht hat. Weil das Schadenbild je nach Gebiet unterschiedlich war, musste man stets eine Einzelfallbetrachtung vornehmen. Totalschäden ließen sich über Satelliten feststellen, die hierfür bereits Bilder mit einer ausreichend hohen Auflösung lieferten. Wie schwer Hitze oder Rauch auch äußerlich wenig beschädigte Gebäude in Mitleidenschaft gezogen haben, musste vor Ort geklärt werden.

Gefährliche Brandrückstände
Der Einsatz der Bevölkerung Fort McMurrays bei der Schadenbeseitigung war hoch: Viele Menschen hatten ihre Häuser und Einrichtungsgegenstände selbst von Ruß und Asche gereinigt und auf mögliche Leistungen ihrer Versicherung zur Kostenerstattung verzichtet. Im Gegenzug war die Erwartungshaltung hoch, dass die Schäden rasch beglichen würden.
Konsequenzen aus schrumpfender Ölindustrie
Der mit dem Ölpreisverfall begonnene wirtschaftliche Abschwung wirkt sich ebenfalls auf die Entschädigungssummen aus. Bereits vor der Katastrophe waren die Immobilienpreise rückläufig. Nach Angaben der Canada Mortgage and Housing Corporation (CMHC) sank der durchschnittliche Verkaufspreis eines Einfamilienhauses von 609.000 kanadischen Dollar 2014 auf 504.000 kanadische Dollar. Kommt es nicht zum Wiederaufbau, erfolgt eine Entschädigung nach Zeitwert, der den ursprünglichen Kaufpreis in einzelnen Fällen unterschreiten wird. Die angemessene Schätzung der Verkehrswerte dürfte daher zu Diskussionen führen. Auch bei Gewerbetreibenden wird sich die Entschädigung zum Teil kontrovers gestalten. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Dauer der Betriebsunterbrechung, sondern auch bezüglich des daraus resultierenden Schadens. Hotels beispielsweise haben schon vor der Katastrophe unter einer geringeren Auslastung gelitten.
Steigende Baukosten befürchtet
Fazit
Demand Surge: Die große Unbekannte
Bei Naturkatastrophen mit hohen Sachschäden wie in Fort McMurray tritt häufig das Phänomen der Demand Surge, auch als Post Loss Inflation bekannt, auf. Plötzliche Engpässe bei Baumaterialien und Arbeitskräften, die für den Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur nötig sind, treiben die Preise dafür in die Höhe. Die zusätzlichen Kosten für diese Produkte und Dienstleistungen müssen die von den Schäden Betroffenen bzw. die Versicherer tragen. Diese Entwicklung gilt es zu beachten, wenn ein Versicherer Prognosen bezüglich der Katastrophenschäden sowie der nötigen Rückstellungen erstellt

