
Erfahrungsbericht aus Puerto Rico: Wiederaufbau dauert an
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, seit Hurrikan Maria über Puerto Rico stürmte, große Teile des Landes verwüstete und Schäden in Milliardenhöhe verursachte. Und immer noch sind die Wiederaufbauarbeiten in Gange. Gerhard Loos, Key Case Claims Manager, war Ende April vor Ort, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Zudem sprach er mit betroffenen Kunden, unter ihnen Carlos Rubio, State Historic Preservation Officer von Puerto Rico mit Sitz in der Hauptstadt San Juan. Ein Schadenereignis, zwei Perspektiven.
Gerhard Loos: „Eine effiziente Schadenregulierung war kaum möglich.“
„Als ich am 16. April in der Hauptstadt San Juan eintraf, waren die Schäden immer noch unübersehbar. Vor allem starke Zerstörungen des Stromnetzes, das fast ausschließlich auf Freileitungen basiert, hatte den Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur verzögert. Während im April rund 90 Prozent des Verteilernetzes wieder in Betrieb waren, war noch im Dezember, rund drei Monate nach dem verheerenden Hurrikan, nur wenig mehr als die Hälfte der Haushalte wieder mit Strom versorgt.“
„Das erschwerte nicht nur den Aufbau, sondern auch die Schadenregulierung, denn die starke Verzögerung der Reparaturarbeiten zog weitere Folgeschäden, beispiels-weise durch eindringendes Wasser, nach sich. Hinzu kam, dass die Dienste von so genannten „Restoration Companies“ zu wenig bekannt waren, die durchnässte Geräte schnell reparieren und säubern, wodurch Folgeschäden verhindert werden können. Ein solches Unternehmen kam samt seiner Ausrüstung für die Beseitigung von Wasserschäden kurz nach dem Hurrikan ins Land. Die Generatoren wurden aber am Flughafen für andere Zwecke beschlagnahmt.“
Keine Sonderfristen durch die Behörden
„Zudem war die ausgegebene Regulierungsfrist nicht, wie in anderen Ländern nach einem großen Schadenereignis üblich, an die Ausnahmesituation nach Maria angepasst worden. Die massiven Schäden innerhalb von 90 Tagen zu regulieren und zu entschädigen, erwies sich für die Versicherungsgesellschaften als unrealistisch. Um Strafen zu entgehen, schlossen diese zum Teil ihre Schäden vor Ablauf der Frist, um sie danach erneut zu eröffnen. Bis Ende Januar waren etwa 230.000 Schäden registriert. Das entspricht bei weitem nicht der tatsächlichen Schadensmenge.“
Erfahrungen aus Workshop von Munich Re half nach Hurrikan Maria
„Trotz der Herausforderungen vor Ort gab es auch ein erfreuliches Feedback von einer der größten Versicherungsgesellschaften in Puerto Rico: Diese hatte bereits 2011 an unserem Workshop „EQ Simulation“ teilgenommen, bei dem wir den Fall eines möglichen Erdbebens durchgespielt haben. Von dem Know-how konnte sie jetzt profitieren und trotz aller Schwierigkeiten schnell und effizient auf Schäden reagieren.“
Carlos Rubio: „Die Menschen passen jetzt mehr aufeinander auf.“Carlos Rubio
„Vor allem das Kommunikationsnetz im Land war nach dem Volltreffer in einem desolaten Zustand. In ganz Puerto Rico gab es kein Fernsehen, nur ein Radiosender funktionierte. Die Menschen außerhalb des Landes waren besser informiert als wir selbst. Dieser Zustand zog sich über Wochen, in dem ein Großteil der Bevölkerung praktisch nicht wusste, was genau im Land passiert war. Viele wussten auch nicht, wie es ihrer Verwandtschaft ergangen war. Hinzu kam die ständige Angst, die nach Maria wie ein Schatten über dem Land lag. Fiel wieder einmal der Strom aus, bildeten sich sofort lange Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften und Tankstellen. Das war sogar im April so, also mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturm.“

Die Menschen helfen sich gegenseitig
„Nach dem Hurrikan bot uns eine Regierungsbehörde an, in ein anderes Gebäude mit Strom und Klimaanlage zu ziehen. Da wir jedoch auf unsere Archive angewiesen sind, kam das für uns nicht in Frage. Wir haben uns dann den Umständen angepasst und beispielsweise Briefe per Hand geschrieben. Mittlerweile geht alles wieder. Wir haben Glück gehabt, das Gebäude ist weitgehend intakt geblieben. Die Abwicklung der Schäden kommt gut voran.“
Beinahe ein Jahr nach Maria
„Die Menschen haben aus der Erfahrung gelernt. Nachbarn arbeiten zusammen, um in ihren Kommunen die Resilienz zu stärken. In einigen abgelegeneren Bergregionen gelang es, eine Versorgung von Gebäuden mit Strom aus erneuerbaren Quellen aufzubauen, die als kommunale Zentren über Kühlschränke und andere Geräte zur gemeinsamen Nutzung verfügen. Vor der neuen Hurrikansaison haben viele Menschen ganz individuell Vorsorgemaßnahmen getroffen.“
„Maria war sicher ein Weckruf. Auch wenn man nie richtig wissen kann, wann und wo Hurrikane auftreffen: Das nächste Mal sind wir hoffentlich besser vorbereitet.“