
Hochwasser - Ereignis mit Restrisiko
Schon wieder Hochwasser. Gut zehn Jahre nach dem „Jahrhundertereignis“ im August 2002 standen im Juni 2013 in Deutschland erneut ganze Landstriche unter Wasser. Was sind die Ursachen und Hintergründe, die bei derart heftigen Unwetterereignissen eine Rolle spielen? Wie können Staat, Betroffene und Versicherer Flutkatastrophen dieser Dimension entgegenwirken und resultierende Schäden möglichst gering halten?
Feuchtwarme Luft wird vom Mittelmeer östlich um die Alpen herumgeführt und trifft über Mitteleuropa auf kalte Luft aus dem Norden und Westen. Niederschläge mit sehr hohen Intensitäten und Mengen sind die Folge. Sie werden durch den Anstau an der Nordseite der Alpen und den östlichen Mittelgebirgen zusätzlich verstärkt.
Wetterlagen wie diese kommen in den letzten zwanzig Jahren immer häufiger vor und führten im Juni 2013 zu einer erneuten verheerenden Hochwasserkatastrophe im Süden und Osten Deutschlands. Das Siedeln in gewässernahen Bereichen in Verbindung mit der generell wachsenden Wertekonzentration und verbreiteter Sorglosigkeit ließen die Schadensummen in den letzten Jahren ständig ansteigen.
Will man diesem Trend entgegenwirken, dürfen nicht nur Einzelaspekte verfolgt werden. Nötig ist eine ganzheitliche Vorsorgestrategie, die alle Aspekte von der Entstehung eines Hochwassers bis zur Vermeidung von Schadenpotenzialen berücksichtigt.
Bauboom in Risikogebieten erhöht Schadenpotenzial
Einen erheblichen Anteil an den hohen Schadensummen hat die zunehmende Erschließung gewässernahen Baugrunds. Oft geht hier Profit und Eigeninteresse vor Vernunft. In der Bau- und Landnutzungsplanung wurden und werden regelmäßig Fehlentscheidungen getroffen. Damit sind nicht nur die Bauherren gemeint, sondern auch die Verantwortlichen in Sachen Baurecht. Bauwillige sollten auf die aktuelle Gefährdungssituation und eventuelle Nichtversicherbarkeit hingewiesen werden. Das Hochwasserschutzgesetz von 2005 räumt der Überschwemmungssicherheit nun eine höhere Priorität ein und erschwert Bauvorhaben in Risikogebieten. Offenbar müssen Verantwortlichkeiten in eine übergeordnete Ebene verlagert und Entscheidungen über Nutzungen unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten getroffen werden, um Fehlplanungen zu verhindern. Vorteile für eine Gemeinde oder einen Flussanlieger dürfen nicht zulasten der Allgemeinheit gehen.
Technische Maßnahmen zur Verhinderung von Überflutungen
In der Vorsorgestrategie muss das Zurückhalten des Wassers oberste Priorität haben. Am effizientesten – aber auch am schwierigsten umsetzbar – sind große Rückhaltebecken und Polder. Diese befinden sich in unmittelbarer Flussnähe und werden bei Hochwasser zu einem bestimmten Zeitpunkt geflutet, um den Wellenscheitel zu reduzieren. Die Einrichtung von Poldern trifft jedoch auf teilweise erbitterten Widerstand bei den betroffenen Landbesitzern, wie zum Beispiel an der bayerischen Donau, wo man seit vielen Jahren Polder bauen will.
Manche Maßnahmen wie Versickerungsbereiche oder dezentraler Rückhalt sind dagegen nur begrenzt wirksam, sollten aber dennoch zusätzlich umgesetzt werden. Denn schon eine wenige Zentimeter niedrigere Hochwasserwelle kann entscheidend sein, ob ein Deich überspült wird oder nicht.
Deiche können brechen
Kleinräumig kommt es häufig vor, dass ein hundertjährliches Hochwasser auftritt; betrachtet man 100 statistisch unabhängige Gewässerstellen, so ist dies im Mittel einmal pro Jahr zu erwarten.
Beim Hochwasser 2013 war dieses Ereignis in einem sehr großen Gebiet der Fall. Daher kam es zur Katastrophe. Künftig sollte man verstärkt darüber nachdenken, ob man auch bei Flussdeichen Hochwasser-Entlastungsanlagen vorsieht – ähnlich wie bei Talsperren und Rückhaltebecken. Damit könnten, wenn die Abflusskapazität überschritten wird, gezielt weniger kritische Gebiete überflutet werden.
Renaturierung hilft nur bedingt
Vorsorgemaßnahmen
Wichtige Faktoren für die Schadenminimierung sind die optimale Vorbereitung auf Katastrophensituationen und ein professionelles Katastrophenmanagement. Dazu gehören vor allem Frühwarnsysteme und eine funktionierende Einsatzplanung – beides Aufgaben des Staates. Entscheidend dabei ist, das Risikobewusstsein auf allen Ebenen aufrecht zu erhalten. Hier übernimmt die Versicherungswirtschaft mit transparenten Risikoeinschätzungen eine wichtige Rolle.
Risikogerechter Umgang mit Werten
Noch nie zuvor verfügten die Menschen über so großen und wertvollen Besitz wie heute. Wo früher Holz, Kohle und Vorräte lagerten, findet man heute gut ausgestattete Hobbyräume, Hausbars, Wellnessbereiche oder elektronisch gesteuerte Heizanlagen mit ihren dazugehörigen Öltanks.
In größeren Wohnanlagen oder gewerblichen Gebäuden befinden sich im Untergeschoss oft Steuerungsanlagen der Gebäudetechnik, Warenlager oder Rechenzentren. Permanente und temporäre bauliche Maßnahmen sowie richtiges Verhalten bei Überschwemmungsgefahr können diese Werte vor Schäden schützen.
Überschwemmungsrisiko auf mehrere Schultern verteilen
Eigenvorsorge erhöht die Möglichkeiten der Versicherbarkeit
Ein Restrisiko wird immer bleiben. Für dieses Restrisiko können die Versicherer einstehen. Fast 99 Prozent aller Gebäude in Deutschland lassen sich unproblematisch versichern. Selbst für die Fälle in den am stärksten gefährdeten Zonen lässt sich über Selbstbehalte und Schutzmaßnahmen manchmal eine Lösung finden. Die Eigenvorsorge bleibt, auch wenn man eine Police in Händen hält, der entscheidende Faktor bei der Schadenminimierung.
Primäres Ziel der Assekuranz muss es daher sein, die Motivation zur Eigenvorsorge zu fördern. Dazu ist mehr Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit seitens der Versicherer nötig. Wie gesagt: Einen hundertprozentigen Schutz vor Hochwasser gibt es nicht. Selbst wenn alle Vorkehrungen getroffen wurden, darf man die Gefahr nicht aus dem Bewusstsein streichen und nachlässig werden. Wir müssen mit Hochwasserereignissen leben, doch wir können ihre katastrophalen Auswirkungen durch geeignete Risikovorsorge, die von der Entstehung des Hochwassers im Einzugsgebiet bis zur finanziellen Vorsorge mittels einer Versicherung geht, erheblich mindern.
