Klimawandel

Hitze, Dürre und Waldbrände in Teilen Europas: Milliardenschäden für die Landwirtschaft

Hitze und Trockenheit in großen Teilen Europas führen in vielen Ländern zu massiven Ernterückgängen in diesem Jahr, in Skandinavien brennen Wälder. Die Folgen sind Milliardenschäden für die Landwirtschaft, teilweise fällt die Ernte sogar komplett aus. Und damit nicht genug: Die Wissenschaft geht davon aus, dass es trockene Hitzeepisoden im Sommer künftig noch häufiger geben wird.

31.07.2018
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Ab Mai herrschte über der Nordhälfte Europas häufig hoher Luftdruck, regional verbunden mit Hitzerekorden bis in die arktischen Breiten. Die Niederschläge blieben viel niedriger als üblich, in weiten Teilen des nördlichen, zentralen und östlichen Europas kam es zu Dürre. Besonders stark von der Trockenheit betroffen sind der Norden und der Osten Deutschlands sowie Dänemark, Norwegen und Schweden, Polen, das Baltikum und die Ukraine.

In Deutschland waren die Monate April und Mai die jeweils wärmsten seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen 1881. Auch im Juni lagen die Temperaturen weit über dem Durchschnittswert der vergangenen Jahrzehnte. In einigen Regionen regnete es im Mai praktisch überhaupt nicht. Ähnlich war es in den anderen betroffenen Ländern.

Sehr warmer Frühling folgte auf langen Winter

Dabei war nicht nur die frühsommerliche Hitze das Problem: In einigen Ländern war der Herbst sehr nass, so dass dort zum Teil auf die Aussaat von Wintergetreide verzichtet werden musste. Der Winter kam spät mit sehr tiefen Temperaturen bis Ende März, um dann beinahe sofort frühsommerlichen Temperaturen zu weichen.

Die Folgen der dann einsetzenden langen Trockenperiode: Bei vielen Pflanzen wurden bereits die Kornanlage und Blüte beeinträchtigt, Getreide wurde zu früh reif, die wenigen Körner blieben klein. Die Erntezeit verschob sich um bis zu drei Wochen nach vorne. Auch andere Kulturarten wie Mais oder Zuckerrüben bekamen deutlich zu wenig Wasser. Tierhaltende Betriebe sind ebenfalls belastet, da nicht genügend Grün- bzw. Grundfutter vorhanden ist und daher Futter teuer zugekauft werden muss. Im Gegensatz dazu führten in Italien und Frankreich vornehmlich Hagelschläge und Starkregen zu Schäden bei Getreide.

In Deutschland wird die Getreideernte voraussichtlich um deutlich mehr als 10% unter dem langjährigen Durchschnitt liegen. In Nord- und Ostdeutschland werden teilweise Totalausfälle erwartet. Auch in Skandinavien, Polen, Teilen Russlands und der Ukraine gehen Verbände und Regierungen von Ernteeinbußen zwischen 15 und teilweise 50% aus. In Polen prognostiziert das Agrarministerium einen Ertragsverlust von „noch nie da gewesener Größenordnung“. In anderen europäischen Ländern wie Tschechien, der Slowakei, Spanien und der Türkei gab es dagegen höhere Niederschläge, es zeichnet sich dort eine gute Ernte ab.

Außerhalb Europas leiden regional auch die großen Agrarnationen USA, Kanada und Australien unter reduzierten Ernteerträgen aufgrund langanhaltender Trockenheit.
Vergleichsweise hohes Schadenpotenzial und ausgeprägte Volatilität von Trockenheitsschäden in Deutschland.
Vergleichsweise hohes Schadenpotenzial und ausgeprägte Volatilität von Trockenheitsschäden in Deutschland.
Besteht ein Einfluss des Klimawandels?

Zunächst einmal ist das ein außergewöhnlicher Witterungsverlauf. Gleichzeitig ist aber aus der Forschung bekannt, dass die sommerliche Anzahl der Hitzerekorde in Europa über die letzten Jahrzehnte hinweg deutlich zugenommen hat und über dem Niveau lag, das man bei einem Klima ohne langfristigen Änderungstrend zu erwarten hätte. Mit heißen sommerlichen Hochdruckwetter geht hierzulande Trockenheit einher. Die Klimawissenschaft geht zudem überwiegend davon aus, dass Landwirte in Europa künftig immer häufiger mit Hitze- und Trockenperioden im Sommer rechnen müssen.

In Deutschland hat sich die Anzahl der heißen Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad seit 1950 knapp verdreifacht. Modelle projizieren eine weitere Zunahme der Anzahl dieser Tage, etwa im Mai mehr als Verdoppelung, bereits für Mitte des Jahrhunderts. Generell nehmen die sommerlichen Niederschläge langfristig ab, während die Anzahl sehr trockener Tage im Sommer zunehmen, wie Klimamodellierungen des Deutschen Wetterdienstes projizieren. Zugleich wird eine Zunahme von weiteren Wetterextremen wie Hagel, Starkwinden und Starkniederschlägen in einzelnen Regionen erwartet. Eine neue Studie* ermittelte eine Zunahme der Hagelschläge mit einem Durchmesser der Hagelkörner über zwei Zentimetern in zentralen und südlichen Teilen Europas im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte.

Die erwartete Bilanz des Klimawandels für die Landwirtschaft über die kommenden zwei bis drei Jahrzehnte hinweg ist komplex: Den negativen Auswirkungen aufgrund der kurzfristigen Extreme, die Ertragsschwankungen ansteigen lassen, stehen in den mitteleuropäischen Ländern mit humidem, gemäßigtem Klima auch positive Aspekte in Normaljahren gegenüber. Denn im Zuge des CO2-Düngungseffekts nutzen Pflanzen Bodenwasser effizienter, so dass einige Modellierungen bis in die 2030er-Jahre hinein im Mittel keine Ertragseinbußen erwarten. Auch lassen sich in einer längeren Vegetationsperiode höhere Erträge im Getreide- und Maisanbau auch in höheren Breitengraden erzielen. Ebenso kann die Landwirtschaft durch eine kontinuierliche und gezielte Züchtung angepasster Sorten die Einbußen durch mehr Hitze und geringere Niederschläge zum Teil ausgleichen.

Anders sieht es in südeuropäischen Regionen wie Spanien, Südfrankreich, Italien und Südosteuropa aus. Dort ist es bereits deutlich trockener geworden. Diese Entwicklung verbunden mit mehr Hitzeperioden dürfte weitergehen, erhebliche Ertragsreduzierungen bei einigen Kulturen werden die Folge sein.

Anpassungstechniken können Ertragsverluste verringern

Um in Zukunft Ertragsverluste auszugleichen, muss die Landwirtschaft ihr vorhandenes Anpassungspotential voll ausnutzen. Dazu zählen die Wahl von robusteren Sorten und Kulturarten sowie eine angepasste Produktionstechnik. Sinnvolle Präventionsmaßnahmen sind beispielsweise Bewässerung oder Hagelnetze für Obstkulturen wie Äpfel. Extremereignisse lassen sich allerdings nur begrenzt durch Anpassungsmaßnahmen abfedern. Hier sind Versicherungsmodelle erforderlich, die den Landwirt gegen den Ernteausfall absichern.

Digitaltechnik in der Landwirtschaft ermöglicht neue Versicherungsmodelle

Die traditionelle Versicherung gegen Ernteausfälle bündelt mehrere Gefahren in einer Police. Allerdings wird in Deutschland und vielen anderen Ländern meist auf die kostengünstigere Einzelgefahren-Deckung zurückgegriffen, die den Landwirt meist gegen Hagel versichert.

Noch gering im Umfang, aber stark wachsend ist das Segment der indexbasierten Deckung: Diese stützt sich auf einen Ertragsindex oder Wetterparameter und ermöglicht eine einfache, sehr zeitnah auszahlende und etwas kostengünstigere Absicherung. Deckungen mit so genannten parametrischen Triggern helfen vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern mit kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, wo Schadenschätzungen zu aufwändig sind und hohe Kosten verursachen. Allerdings spielt hierbei das Basisrisiko eine große Rolle, dass also ein Wetterparameter womöglich den Schwellenwert für eine Auszahlung nicht erreicht, obgleich bei einem Versicherten ein Schaden vorliegt. Solche Erfahrungen sind ein Hemmnis bei der Einführung dieser innovativen Deckung.

Welches Deckungskonzept für welchen Landwirt am besten geeignet ist, bestimmen die Rahmenbedingungen. Sicher ist, dass die zunehmende Digitalisierung des landwirtschaftlichen Risikomanagements, beispielsweise mit Hilfe von Satellitendaten, bessere Absicherungen und innovative Produkte ermöglichen wird.

Sicher ist aber auch, dass die Landwirtschaft die Folgen des Klimawandels in Zukunft noch stärker spüren wird. Zu überlegen ist daher eine Kofinanzierung von Risiken durch die öffentliche Hand bei Mehrgefahrendeckungen, um die finanzielle Belastung der Landwirte zu deckeln. Zahlreiche Länder habe solche Systeme bereits erfolgreich eingeführt.

* Rädler, Groenemeijer, Faust, Sausen 2018: Detecting severe weather trends using an Additive Regressive Convective Hazard Model (ARCHaMo). J. Appl. Meteor. Climatol., DOI:10.1175/JAMC-D-17-0132.1