
Verhängnisvoller Fehler
Ein kleiner, aber folgenschwerer Montagefehler eines Subunternehmens löst bei einem asiatischen Hersteller für Speicherchips einen Brand aus, der fast eine Milliarde US-Dollar Schaden hinterlässt. Beschädigtes Spezialequipment und die besonderen Produktionsbedingungen trieben die Kosten in die Höhe. Wegen unterbrochener Lieferketten werden auch Deckungen für Contingent Business Interruption (CBI) ausgelöst.
Luft sauberer als im OP
Insgesamt befanden sich in den beiden Reinräumen mehr als 1.400 Spezialmaschinen und -geräte, die zum Teil vom Feuer zerstört oder durch Rauch, Ruß und der nachfolgend einsetzenden Korrosion beschädigt wurden. Zudem bestand die Gefahr, dass die nach der Explosion erfolgte abrupte Stromabschaltung die empfindliche Elektronik in den Geräten beschädigt haben könnte. Auch äußerlich unversehrte Maschinen und Geräte mussten daher auf ihre fehlerfreie Funktionsfähigkeit innerhalb extrem enger Toleranzen geprüft werden. Zu befürchten war darüber hinaus, dass – neben den direkten Folgen des Brands – durch die unkontrollierte Einwirkdauer von chemischen Substanzen die wertvollen, in sehr großer Zahl im Produktionsprozess stecken gebliebenen Wafer (siehe Grafik unten) verloren waren. Der Sachschaden an Equipment und Gebäuden sowie die Kosten für die Betriebsunterbrechung in der Halbleiterfabrik beliefen sich trotz der lokal begrenzten Feuerwirkung auf 860 Millionen US-Dollar.
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Wie ein Chip entsteht
Ob Prozessor oder Speicherchip, alle Hersteller fertigen ihre Halbleiter mit derselben grundlegenden Technik, der Fotolithografie. Ausgangspunkt (1) ist der zylindrische Einkristall, der aus reinem Silizium besteht. Dieser Einkristall-Stab wird mittels Innenloch- oder Drahtsäge in dünne Scheiben (Wafer) geschnitten und in mehreren Schritten plan poliert. Unter hohen Temperaturen erfolgt eine Oxidation auf der Oberfläche, wodurch sich eine dünne Schicht aus isolierendem Siliziumdioxid bildet (3). Im nächsten Schritt wird der Wafer mit einem Fotolack beschichtet und eine Schablone mit dem Muster der Schaltkreise angebracht, die man auf den Wafer übertragen will (4). Durch Belichtung verändert sich der Fotolack und kann mithilfe eines Lösungsmittels entfernt werden. Dadurch erhält man freie Siliziumoxid-Oberflächen mit der Struktur der Schaltkreise. Es folgen Prozessschritte wie das Dotieren, Abscheiden oder Ätzen, um die Leitungsstrukturen dauerhaft in den Wafer zu übertragen (5). Anschließend wird der unbelichtete Fotolack entfernt, aus dem Wafer gesägt.
Weil nur sehr wenige Hersteller weltweit Speicherchips fertigen, löste der Ausfall dieses einen Produzenten globale Schockwellen aus. Zum einen zogen die Preise für Speicherchips wegen des knapperen Angebots unmittelbar nach Bekanntwerden des Schadens stark an, waren die vom Feuer betroffenen Anlagen doch für einen bedeutenden Anteil der weltweiten Speicherchipproduktion verantwortlich. Zum anderen mussten OEMs (Original Equipment Manufacturer), die langfristige Verträge zum Bezug von Speicherchips mit dem ausgefallenen Hersteller geschlossen hatten, kurzfristig auf andere Bezugsquellen ausweichen. Das war nicht nur schwierig, weil jeder betroffene OEM sofort nach Alternativen Ausschau hielt, sondern wegen der gestiegenen Preise für Speicherchips auch mit hohen Kosten verbunden.
Engpass bedroht Weihnachtsgeschäft

Auf Lieferausfall nicht vorbereitet
Gerade bei Speicherchips, die als Massengut keine besonderen Spezifikationen aufweisen, kann man problemlos auf unterschiedliche Lieferanten zurückgreifen. Letztendlich belief sich der Schaden aus der Contingent Business Interruption auf annähernd 500 Millionen Dollar, wobei die Versicherer durch das vereinbarte Sublimit von 150 Millionen US-Dollar und die Eigenbeteiligung des Versicherungsnehmers von 25 Millionen US-Dollar einen erheblich geringeren Betrag schultern mussten.
Ein weiteres Problem ergab sich bei einem anderen OEM, der ebenfalls mit dem geschädigten Halbleiterhersteller eine langfristige Liefervereinbarung geschlossen hatte. Dieser OEM wurde vom Hersteller selbst im Januar noch nicht mit Chips beliefert, obwohl die Produktion zu diesem Zeitpunkt wieder lief. Hier könnte man mutmaßen, dass der Chiphersteller die Gunst der Stunde nutzte und seine Speicherkomponenten lieber auf dem Spotmarkt zu einem höheren Preis absetzen wollte, statt die langfristige Liefervereinbarung (zu niedrigeren Preisen) einzuhalten. Die Leidtragenden waren letztlich die Versicherer, die dem OEM die Preisdifferenz im Rahmen der CBI-Deckung erstatten mussten. Sie wären nur dann frei von der Leistung gewesen, wenn die Kausalkette, die zum finanziellen Schaden geführt hat, unterbrochen gewesen wäre. Der Beweis dafür konnte nicht erbracht werden.
Lehren aus dem Schadenfall
Mit Sublimiten Exponierung begrenzen
In einem derartigen Fall lässt sich die Exponierung am wirkungsvollsten über Sublimite beschränken. Hier ist es sinnvoll, etwa zwischen Schlüssellieferanten (Named Supplier) und Firmen aus der zweiten Reihe (Unnamed Supplier) zu unterscheiden. Die Schlüssellieferanten werden explizit in der Police aufgelistet. Da man davon ausgehen kann, dass sie höhere Standards anlegen, um Produktionsausfälle zu vermeiden, können für sie höhere Sublimite vereinbart werden als für die Unnamed Supplier. Darüber hinaus sollte sich der Underwriter gerade bei Risiken mit komplexeren Lieferketten ein klares Bild über die Qualität des Kontinuitätsmanagements machen.
Regressansprüche nicht leichtfertig vergeben
Nicht zuletzt sollten die Underwriter im Auge behalten, welche Möglichkeiten der Versicherungsnehmer hat, auf andere Produktionsstätten auszuweichen. So betrieb der asiatische Halbleiterhersteller in anderen Ländern weitere Anlagen zur Produktion von Speicherchips. Hier hätte man idealerweise beim Abfassen der Policenbedingungen festlegen können, inwieweit der Ausfall in einer Fabrik durch andere Fertigungsstätten ausgeglichen werden kann.

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