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Zwei Dinge haben die Pandemie und der Klimawandel gemeinsam. Erstens: Alle Experten wussten, sie werden kommen und extreme Folgen haben. Und zweitens: Wir taten nichts oder zu wenig dagegen. Die Corona-Pandemie hat die Welt trotz allen Wissens und immer wieder aktualisierter Szenariostudien weitgehend unvorbereitet getroffen. Die Lektion für den Umgang mit dem Klimawandel: Wir müssen bei schwer greifbaren Risiken die Wissenschaft ernster nehmen und konsequenter Maßnahmen ergreifen, um sie zu mindern. Und uns vorbereiten, um die Folgen zu begrenzen. „Resilienz“ ist die oft genannte und richtige Zielgröße.
Zum Klimawandel gibt es erdrückend viel Wissen. Ein paar Fakten: 2019 war das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Alle 19 Jahre seit 2001 gehörten zu den 20 wärmsten überhaupt. Der Meeresspiegel ist in den letzten 100 Jahren um rund 20 cm angestiegen. Die Forschung sieht in all dem einen deutlichen Fußabdruck des Klimawandels. Höhere Temperaturen lassen mehr Wasser verdunsten, der Wettermotor läuft auf höheren Touren. Soweit Beobachtung und Theorie.
Uns als Versicherer hat das schon vor langer Zeit ausgereicht, um zu handeln. Wir stecken viel Aufwand in konkreten Research, der sich mit regionalen Auswirkungen des Klimawandels befasst. So wollen wir die Risiken der sich ändernden Naturgefahren weiter richtig bewerten können.
Schwere Naturkatastrophen treffen auf zunehmend vulnerable Gesellschaften
Was wir bisher wissen: Schwere Gewitter in Europa und Nordamerika, oft mit Hagel oder Tornados, werden häufiger, und die Schäden nehmen selbst bereinigt um Wertezuwächse zu. Ebenso Hitzewellen, Dürren und Waldbrände in verschiedenen Regionen. Bei tropischen Wirbelstürmen wird künftig vermutlich nicht die Anzahl steigen, aber die Klimaforschung liefert Anhaltspunkte, dass der Anteil der schweren Stürme voraussichtlich zunehmen wird. Zudem gibt es Hinweise, dass sie häufiger extremste Niederschläge mitbringen. Taifun Hagibis, der vergangenes Jahr ganze Regionen in Japan überschwemmte, war ein Beispiel. Ebenso Hurrikan Harvey, der 2017 die US-Metropole Houston unter Wasser setzte.
Anders als bei einer Pandemie ist das natürlich irgendwie regional begrenzt, auch wenn die Schäden jeweils immens sind und viele Menschen bei Wetterkatastrophen sterben. Aber auch bei schweren Naturkatastrophen nimmt der systemische, globale Charakter zu, denn sie treffen auf zunehmend vulnerable Gesellschaften: Die Wirtschaft ist immer mehr vernetzt und auf Lieferketten angewiesen. Der Welthandel hat seit 1990 um 350 Prozent zugenommen und damit doppelt so stark wie die weltweite Wirtschaftsleistung. Für Volkswirte ein Indikator der steigenden Abhängigkeit.
Die Auswirkungen sind bekannt: 2011 sorgten Überflutungen in Thailand dafür, dass weltweit Teile für Computer-Festplatten knapp wurden: Ein wesentlicher Teil der Zulieferindustrie war in den überschwemmten Industriegebieten nördlich der Hauptstadt Bangkok angesiedelt. Im selben Jahr nach dem Erdbeben in Japan mit dem Atomunglück von Fukushima konnten weltweit Fahrzeuge einer bestimmten Farbe nicht mehr gebaut werden, da der Hersteller der Pigmente nicht mehr liefern konnte.
Zurück zum Änderungsrisiko des Klimawandels, der Einfluss auf Wetterkatastrophen hat: Mir erscheint unverantwortlich, dass angesichts der erdrückenden Belege für den Klimawandel und seinen Folgen so halbherzig dagegen vorgegangen wird. Was ihn dramatisch macht ist die Langfristigkeit bei den Effekten. Die Folgen des Klimawandels lassen sich schon jetzt nur dämpfen, nicht mehr verhindern.
"Es gilt, den Kampf gegen den Klimawandel endlich mit der nötigen Konsequenz aufzunehmen. Damit er eben kein Risiko bleibt, dass wir nicht richtig wahrhaben wollten. Dafür ist konsequentes, geschlossenes Handeln von möglichst vielen Staaten nötig."
Torsten Jeworrek
Member of the Board of Management, Chairman of the Reinsurance Committee
In der Finanzindustrie schauen sich viele Unternehmen mittlerweile ihre Kapitalanlagen und ihre langfristigen Geschäfte genauer an. Schlicht um zu prüfen, ob sie künftig noch werthaltig sind, oder ob zum Beispiel Kreditausfälle in einer vom Meeresspiegelanstieg oder von zunehmenden Fluten gefährdeten Region drohen. Internationale Konzerne, die auf Zulieferung spezieller Teile angewiesen sind, durchleuchten ihre Lieferketten, um bei womöglich häufigeren Wetterkatastrophen im Ernstfall Alternativen zu haben. Das ist gut so, denn es vermindert die Anfälligkeit für die Folgen extremer Ereignisse.
Was aus politischer und gesellschaftlicher Perspektive zu tun ist, wissen wir: den Klimawandel so weit wie möglich dämpfen und Volkswirtschaften sowie die Gesellschaften auf die Folgen vorbereiten. Auch deshalb unterstützt Munich Re schon seit Jahren Forschungseinrichtungen wie das Insurance Institute for Business & Home Safety (IBHS) in den USA. Das IBHS betreibt ein Forschungszentrum, in dem Häuser in Lebensgröße von Hurrikan-starken Winden zerstört, mit Hagelkörnern beschossen oder mit sintflutartigem Regen überschwemmt werden, um stabilere Bautechniken herauszufinden. Zum besseren Schutz von Menschenleben und zur Vermeidung von Schäden.
Es gilt also, den Kampf gegen den Klimawandel endlich mit der nötigen Konsequenz aufzunehmen. Damit er eben kein Risiko bleibt, dass wir nicht richtig wahrhaben wollten. Dafür ist konsequentes, geschlossenes Handeln von möglichst vielen Staaten nötig, auch wenn das im Moment als Wunschdenken erscheint. Einzelkämpfer sind hier aber machtlos.
(Leicht gekürzt veröffentlicht auf www.handelsblatt.com am 7. Juli 2020)Verwandte Themen
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