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Hurrikane, Überschwemmungen, aber auch Erdbeben – wo und mit welcher Intensität die Natur zuschlägt, entzieht sich weitgehend dem menschlichen Einfluss. Inwieweit derartige Ereignisse glimpflich ablaufen oder aber die Lebensgrundlagen langfristig zerstören, ist hingegen nicht schicksalsgegeben. Warnsysteme, sichere Gebäude oder perfekt aufeinander abgestimmte Hilfsdienste können dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen ein Schadenereignis unbeschadet überstehen und sich finanziell rasch von den Folgen erholen.
Langfristige Beeinträchtigungen sind hingegen unvermeidbar, wenn ein extremes Naturereignis auf eine nicht ausreichend vorbereitete Bevölkerung trifft. Wie in Haiti, das nach dem verheerenden Erdbeben Anfang 2010 noch heute weitgehend gelähmt ist. Im Oktober 2016 wurde Haiti nun von Hurrikan Matthew getroffen, mit Folgen, die wegen der unbewältigten Schäden des Erdbebens umso schlimmer waren. Im Gegensatz dazu hat sich das Leben in Chile und Neuseeland, die Ende Februar 2010 bzw. Anfang 2011 ebenfalls von schweren Erdstößen erschüttert wurden, längst wieder normalisiert. Als besonders anfällig gelten also Länder mit schwacher Wirtschaftskraft und kaum ausgeprägten sozialen Systemen.
Handlungsfähigkeit wiederherstellen
Resilienz bezeichnet die Fähigkeit von Individuen, Gesellschaften oder sozioökonomischen Systemen, eine plötzliche Belastung aufgrund von Krisen oder Katastrophen zu bewältigen und die Funktions- und Handlungsfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen.
Im Kontext der Katastrophenvorsorge ist das Konzept der Resilienz noch jung. Es wird bestimmt durch Elastizität und Widerstandsfähigkeit und zielt darauf ab, den Ausgangszustand rasch wieder zu erreichen. Falsch wäre es, das Thema Resilienz allein auf die Widerstandsfähigkeit bzw. Vulnerabilität zu begrenzen. Denn gerade die Möglichkeit, flexibel zu reagieren, ist die Voraussetzung, um nach einer Katastrophe rasch wieder Fuß zu fassen. Zu kurz gegriffen wäre es ebenfalls, Resilienz als Gefahrenabwehr zu verstehen. Entscheidend für resiliente Systeme ist vielmehr, dass sich die wesentlichen Funktionen schnell wiederherstellen lassen.
Was resiliente Gesellschaften auszeichnet
Weil Störfälle und Krisen überall auftreten können, ist das Konzept von Resilienz eine Orientierungshilfe beim Katastrophenschutz, bei der Krisenbewältigung und bei der Schadenbegrenzung.
Resilienz umfasst sowohl Vorbereitung und Schadenbegrenzung als auch die Möglichkeit zur angemessenen Reaktion auf ein Ereignis. Daher werden an resiliente Systeme je nach Zeitpunkt unterschiedliche Anforderungen gestellt.
Zunächst kommt es darauf an, sich durch entsprechende Maßnahmen auf Extremereignisse vorzubereiten (Prepare), damit ein Schaden gar nicht erst eintritt (Prevent). Ist es dennoch dazu gekommen, müssen die zuvor etablierten Schutzvorkehrungen funktionieren, um die Folgen möglichst gering zu halten (Protect). Die nächste Phase (Respond) betrifft die Reaktionsfähigkeit des Systems, das auf eine rasche, organisierte und effektive Notfallhilfe angewiesen ist. Ist die akute Gefährdung vorüber, beginnt die Phase der Erholung (Recover). Hier ist entscheidend, Lehren zu ziehen, um sich für künftige Ereignisse noch besser zu wappnen. Resilienz ist insofern kein statischer Zustand, sondern eine Eigenschaft lernfähiger, beweglicher und adaptiver Systeme.
Resilienzbemühungen in der Praxis
Immer mehr Länder treiben die Anstrengungen im Bereich Resilienz voran. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass wegen Vielfalt, Komplexität und Unvorhersehbarkeit moderner Risiken die Sicherheit der Bevölkerung nicht immer garantiert werden kann. Somit rückt vermehrt die Bewältigung von Schadenereignissen ins Zentrum der Überlegungen. Großbritannien beispielsweise hat in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Initiativen zur Resilienzstärkung angeschoben. In den USA wiederum befasst sich ein spezielles Gremium innerhalb des National Security Council damit, Resilienz als Kernelement im nationalen Vorsorge- und Aktionsplan für Krisenfälle zu verankern. Anfang 2013 hat US-Präsident Barack Obama mit der Presidential Policy Directive 21 "Critical Infrastructure Security and Resilience" eine Reihe von Maßnahmen gestartet, um kritische Infrastruktur widerstandsfähiger gegen einen möglichen Ausfall zu machen.
Auch auf globaler Ebene gewinnt das Thema an Bedeutung. So hat UNISDR die Kampagne "How to Make Cities More Resilient" ins Leben gerufen. Dahinter steckt die Überlegung, dass angesichts der zunehmenden Urbanisierung eine stärkere Resilienz großer Städte besonders wichtig ist.
Die überaus verwundbaren, oft durch schwache öffentliche Institutionen und nicht robuste Infrastruktur gekennzeichneten einkommensschwachen Länder sind im Hintertreffen, wenn es um die nachhaltige Stärkung der Resilienz geht. Die Statistik ist eindeutig: In solchen Ländern sterben im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen und absolut mehr Menschen bei Naturkatastrophen als in reichen Ländern. Das liegt auch daran, dass in vielen der ärmsten Regionen der Erde Wetterextreme wie Überschwemmungen oder Dürren Leben sowie ökonomische und ökologische Grundlagen der Bewohner besonders beeinträchtigen. Vorsorge und Frühwarnsysteme können hier erheblich helfen.
Versicherung als Instrument zur Resilienzstärkung
Nach einer Katastrophe rücken Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen in den Mittelpunkt: Hierzu gehören neben humanitärer Hilfe vor allem Finanzierungssysteme. Versicherungen sind ein zentraler Bestandteil, um ökonomische Folgen zu bewältigen, indem sie rasche Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen ermöglichen.
Wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass gut funktionierende Finanz- und Versicherungsmärkte spürbar positive Impulse liefern. Zum Beispiel nach der Dürre 2012 in den USA, als das US-Agrarversicherungssystem zahlreichen Landwirten durch Zahlungen geholfen hat. Ansonsten wäre sehr wahrscheinlich – sozusagen als indirekter Effekt – auch die landwirtschaftliche Produktion im Jahr 2013 beeinträchtigt worden. Bei diesem System handelt es sich um eine sogenannte Public-Private-Partnership (PPP), bei der die private Versicherungswirtschaft mit ihrer Expertise für korrekte Risikoeinschätzungen und schnelle Auszahlungen sorgt. Da die Landwirte trotz staatlicher Unterstützung einen Teil der Prämien selbst bezahlen, entsteht für sie auch ein Anreiz zu schadenmindernden Maßnahmen.
Generell kann ausreichender Versicherungsschutz die Folgen von Naturkatastrophen in zweifacher Weise mildern: Zum einen entfaltet er präventive Wirkungen, insbesondere aus der Signalfunktion der Prämien. Sie weisen dem zu versichernden Risiko einen Preis zu und erhöhen so die Anreize, durch risikomindernde Maßnahmen diesen Preis zu senken. Zum anderen schaffen Auszahlungen nach einer Katastrophe eine finanzielle Entlastung, sodass etwa der Wiederaufbau von Fabriken rasch in Angriff genommen werden kann. Jüngere Untersuchungen zeigen, dass von zwei Ländern mit gleichem Pro-Kopf-Einkommen dasjenige resilienter gegenüber Naturkatastrophen ist, das mehr Versicherungsschutz aufweist.
G7 beschließen Klimaversicherung
Die Erkenntnis, dass Versicherungen zur Resilienzstärkung beitragen können, hat sich in den Verhandlungen zu einem globalen Klimaschutzabkommen niedergeschlagen. So wurden beim Klimagipfel 2015 im "Paris Agreement" Versicherungsinstrumente als Lösungen genannt, um die Anpassung an den Klimawandel zu erleichtern. Bereits im Juni 2015 hatten die G7-Staaten auf ihrem Gipfel in Elmau die Gründung einer Klimaversicherungsinitiative ("InsuResilience") beschlossen und dadurch die Bedeutung von Risikotransferkonzepten, insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer, hervorgehoben.
Ziel ist es, bis 2020 den Versicherungsschutz gegen Wetterkatastrophen in Entwicklungs- und Schwellenländern auszubauen, wovon rechnerisch 400 Millionen Menschen profitieren sollen. Das soll entweder auf der Makroebene über Versicherungen ganzer Staaten erfolgen oder auf Mikroebene durch Versicherungen für Einzelpersonen. Um solche Projekte zu unterstützen, haben Vertreter von UN-Organisationen, der Weltbank und der Versicherungsbranche Mitte April 2016 das Insurance Development Forum (IDF) gegründet. Es soll das Risiko-Knowhow der Versicherungsbranche in staatliche Regelwerke zur Risikoreduktion einbringen und den Zugang der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen zum Versicherungssystem verbessern. Schon heute existieren in einigen Ländern Afrikas und der Karibik sowie in pazifischen Inselstaaten Poollösungen, die die Resilienz der Bevölkerung erhöhen.
Fazit: Ein besseres Verständnis des Konzepts der Resilienz und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger können dazu beitragen, den Verlust an Menschenleben und die finanziellen, sozialen und ökologischen Schäden von Naturkatastrophen signifikant zu reduzieren. Versicherungen gegen Naturgefahren sind ein zentraler Baustein, um nach einem Schaden wieder schnell auf die Beine zu kommen.