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Gefahrgut im Hafen – Herausforderungen bei der Schadenprävention
Gefahrgut im Hafen – Herausforderungen bei der Schadenprävention
© picture alliance / dpa / Zhang Yuanyuan
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    Das Unglück von Tianjin wirft die Frage nach dem angemessenen Umgang mit Gefahrgütern in Hafenanlagen auf. Um Schäden zu verhindern, müssen einige grundlegende Bedingungen erfüllt sein.
    Hafenanlagen sind nicht nur ein Umschlagplatz für normale Güter, sie fungieren auch als Drehscheibe für gefährliche Stoffe. Die Zwischenlagerung erfolgt in speziellen Gefahr- gutlägern, aus denen heraus die Distribution der per Schiff angelandeten Waren vorgenommen wird. Das gilt für gefährliche Stückgüter ebenso wie im Bereich des Pier-zu-Pier-Containerdienstes (Transport von Ladeeinheiten vom Terminal im Ladehafen bis zum Terminal im Löschhafen). Die Vorteile liegen auf der Hand: Da die Nutzer dieser zentralen Anlaufstellen kein eigenes Gefahrgutlager benötigen und unnötige Transporte zwischen den einzelnen Lagerstätten entfallen, reduzieren sich die Kosten erheblich. Schließlich ist der Bau eines Gefahrgutlagers zwei- bis dreimal so teuer wie der eines gewöhnlichen Lagers, was den speziellen Anforderungen an das Gebäude geschuldet ist. Die hohen Investitionen rechnen sich nur, wenn das Lager eine gewisse Größenordnung erreicht, eine Bedingung, die meist nur spezielle Umschlagbetriebe erfüllen. Sie bieten neben der Lagerung auch eine Reihe von weiteren Dienstleistungen an. Dazu gehören die Probennahme, die Feinkommissionierung, das Befüllen und Reinigen von Behältern, die Verpackungsver- und -entsorgung oder die Seecontainerstauung. Beim Umgang mit Gefahrstoffen sind besondere Vorsorgemaßnahmen nötig, wie der folgende Überblick zeigt:

    Schadenprävention durch Einhaltung gesetzlicher Auflagen

    Gefahrgutläger im Hafenbereich sind eine Weiterentwicklung der Gefahrgutschuppen, die nur dem vorübergehendem Verbleib dienen. Die Problematik beim Bau von Gefahrgutlägern resultiert aus der Notwendigkeit, unterschiedlichste Gesetze und Verordnungen wie das Baurecht, das Gefahrstoffrecht, das Wasserrecht, das Sprengstoffrecht oder das Seuchenrecht miteinander zu verknüpfen.

    Die Komplexität der Rechtsnormen erfordert einen ganzheitlichen, interdisziplinären Planungsprozess mit früher Einbindung der Behörden. Dabei sind internationale wie nationale Anforderungen zu beachten.

    Weltweit existieren unterschiedliche Systeme zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien. Es kann daher passieren, dass ein Stoff oder Stoffgemisch in einem Land als gefährlich eingestuft und behandelt wird, in einem anderen hingegen nicht. Dies bereitet nicht nur beim Transport und im Handel Probleme, sondern auch im Arbeitsschutz.

    Abhilfe soll ein weltweit einheitliches System zur Klassifizierung von Chemikalien unter der Leitung der UN schaffen. Das sogenannte Globally Harmonised System (GHS) wurde erstmals 2003 in Form des „Purple Book“ vorgelegt und wird seitdem in den Regel alle zwei Jahre aktualisiert. Die Einstufung nach harmonisierten Kriterien ermöglicht es, dass man die Gefahren von Chemikalien weltweit mit denselben Symbolen, Gefahren- und Sicherheitshinweisen auf Etiketten und in Datenblättern kommunizieren kann.

    Beim Bau und Betrieb von Hafen- oder Industrieanlagen, die Gefahrenstoffe umschlagen, lagern oder verarbeiten, sind grundsätzlich die nationalen Regelungen zu beachten. Dort ist festgelegt, wann eine Anlage genehmigungspflichtig ist und damit bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss. Für explosive, radioaktive und ansteckungsgefährliche Stoffe gelten oft weitergehende Vorschriften, bei denen in der Regel eine separate Lagerung erforderlich ist. Spezielle Vorgaben sind zudem beim Umgang mit größeren Mengen an brennbaren und explosiven Stoffe zu beachten. Die wichtigste Schadenverhütungsmaßnahme ist daher, die gesetzlichen Regeln und Vorschriften strikt einzuhalten.

    Die Schadenverhütung beginnt dabei bereits vor dem Hafen, im Seeverkehr: Weltweit relevant sind hierbei die Maritime Safety Conventions (IMO– IMDG/ISM/IBC). Die internationalen, je nach nationaler Übernahme mehr oder minderer anerkannt verbindlichen Sicherheitsvorschriften für den Transport von gefährlicher Seefracht in der Seeschifffahrt werden durch die International Maritime Organization (IMO) in ihren Arbeitsgruppen Maritime Safety Committee (MSC), Marine Environment Protection Committee (MEPC) und Legal Committee (LEG) erarbeitet. Zentrale Richtlinie ist die International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS), die Kennzeichnung und Verpackung bei Stapelung, Lagerung und Handling an Bord und im Hafen über den International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG), der International Management Code for the Safe Operation of Ships and for Pollution Prevention (ISM) für allgemeine Sicherheitsrichtlinien des Seeschiffverkehrs sowie der International Code for the Construction and Equipment of Ships carrying Dangerous Chemicals in Bulk (IBC). Daneben gibt es noch den International Code for the Construction and Equipment of Ships Carrying Liquefied Gases in Bulk (IGC-Code) und den International Code for the Safe Carriage of Packaged Irradiated Nuclear Fuel, Plutonium and High-Level Radioactive Wastes on Board Ships (INF-Code). Die vorgenannten Codes regeln Konstruktionen und Anforderungen an Schiffe des Gefahrguttransports. Sie sind Bestandteil der SOLAS-Konvention. Zusammengefasst ist das System im Global Integrated Shipping Information System (GISIS).

    Schadenverhütung durch räumliche Trennung

    Um den besonderen Risikoverhältnissen gerecht zu werden, sind bestimmte Mindestabstände zu Wohn- und Industriegebieten, öffentlicher Verkehrsinfrastruktur oder anderen Lägern einzuhalten, wenn Gefahrstoffe in größeren Mengen gelagert oder transportiert werden. Dies ist bei Planung, Genehmigung und später im Betrieb durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherzustellen.

    Schadenverhütung durch bauliche und anlagentechnische Maßnahmen

    Die Konstruktion von Gefahrgutlägern basiert auf einem einfachen Grundsatz: Das Lager soll in alle Richtungen, das heißt zum Boden/ Grundwasser und zur Luft hin, abgeschottet sein. Das ist notwendig, damit bei einem Unfall keine Gefahrstoffe in die Umwelt gelangen und Einsatzkräfte ungefährdet den Ort des Geschehens erreichen können. Das bedeutet im Einzelnen, dass Dach, Wände, Fundament und Türen möglichst feuerbeständig sind und die unterschiedlichen Gefahrgüter durch fest eingebaute Trennschotten voneinander zu separieren sind. Die Bodenabdichtung sollte so beschaffen sein, dass keine gefährlichen Stoffe in den Boden gelangen können. So werden Leckagen beispielsweise in einen sogenannten Sumpf geleitet, der von außen leergepumpt werden kann. Des Weiteren gehören erzwungener Luftwechsel, fest installierte Feuerlösch-, Rauch- und Gaswarnanlagen sowie explosions- geschützte Betriebsgeräte zur Ausstattung.

    Schadenverhütung durch Informations- und Tracking-Systeme

    Eine transparente Logistikkette ist Voraussetzung, um jederzeit einen Überblick über Art und Menge von Gefahrstoffen an einem bestimmten Ort zu haben. Mit diesen Informationen lässt sich eine sicherheitsgerechte Lagerung vornehmen, und man kann gefährliche Akkumulationen bzw. ein Überschreiten zulässiger Lagermengen vermeiden. Im Rahmen der Hafen-Lagerlogistik wird dabei häufig unterschieden zwischen „verpackten gefährlichen Gütern auf Landanlagen zum Zweck des zeitweiligen Aufenthalts während der Beförderung“, der „Durch- fuhr und unmittelbaren Überladung verpackter gefährlicher Güter“ und „gefährlichen Gütern als Massengut“. Der Verbleib und Transport der Güter wird zweckmäßigerweise mit einem Informations- und Tracking- System erfasst und gesteuert.

    Beim Einsatz von telematischen Systemen ist es sinnvoll, Hafenanlagen in die Abschnitte Hafen- und Speditionstelematik zu gliedern. Die Hafentelematik setzt sich beispielsweise zusammen aus einer Kommunikationsschnittstelle und besonderer Anwendungssoftware. Die Schnittstelle (Electronical Data Interchange oder EDI-System) ermöglicht einen Informationsaustausch per Direktverbindung zwischen Kunde, Umschlagsbetrieb und Hafenverwaltung. Kombiniert mit speziellen Softwarelösungen lassen sich branchenspezifische Aufgaben wie die Zolldokumentation, die Hafenverwaltung, Schiffsinformation oder die Speditionsdisposition erfüllen. Die wichtigste Aufgabe der Speditionstelematik besteht darin, Transparenz auf dem Transportweg herzustellen.

    Durch vorauseilende Sendungsinformationen kann frühzeitig die Planung für die Zustellung im Nahbereich erfolgen. Gleichzeitig können die Güter während des Transports geortet werden. Unter Verwendung geeigneter Datenfunksysteme lässt sich das gesamte Distributionsgeschäft vereinfachen, und auch die Steuerung von Gefahrgutladungen wird transparenter.

    Schadenverhütung durch verstärkte Kontrolle der Kennzeichnung

    Die Überwachung einschlägiger Gefahrgutvorschriften, insbesondere der Kennzeichnung, erfolgt meist durch die zuständigen Behörden. So lassen sich falsch deklarierte Ladungen entdecken, die zu einer gefährlichen Akkumulation bzw. Zusammenlagerung im Gefahrgutlager führen können. Die Überprüfungen können auch IT-gestützt im Rahmen eines Cargo Management Screening Process erfolgen. So schlug das „Watchdog“-System von Hapag- Lloyd 2014 bei 162.000 Schiffsladungen Alarm, davon wurden 2.620 Fälle unkorrekter Deklarationen von Gefahrgut identifiziert. Eine andere Möglichkeit bietet das Cargo Incident Notification System (CINS), das Container Carrier eingerichtet haben, um Informationen über ladungsrelevante Unfälle auszutauschen. Die Erkenntnis aus CINS, dass 25 Prozent der Fälle auf Falschdeklaration zurückzuführen sind, unterstreicht die Notwendigkeit einer stringenten Kontrolle.

    Fazit

    Angesichts des wachsenden Welthandels nimmt auch der Bedarf an Lagermöglichkeiten für Gefahrstoffe in Häfen zu. Wegen ihrer meist großen Kapazitäten und der Vielzahl möglicher Gefahrstoffe gelten für diese Läger besondere Sicherheitsvorschriften, insbesondere bestehen Anforderungen an Abstände und hinsichtlich baulicher und anlagentechnischer Schadenverhütungsmaßnahmen.

    Sofern sie eingehalten werden, lassen sich Schäden vermeiden bzw. ihr Ausmaß begrenzen. Eine verbesserte Transparenz von Gefahrgutbewegungen im Hafengebiet lässt sich durch Gefahrgutinformations- und Tracking-Systeme erreichen, die gefährliche Mengenüberschreitungen oder Zusammenlagerungen identifizieren können. Zudem werden durch solche Systeme auch die Kontrolle und das Nachhalten der korrekten Kennzeichnungspflicht und der genehmigten Lagermengen unterstützt. Die zeitnahe Speicherung aller relevanten Gefahrgutdaten, zum Beispiel anhand von Material Safety Data Sheets, gibt im Notfall den Einsatzkräften wichtige Informationen über Ort, Art sowie Menge der Stoffe und über die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, um Gefahren für Mensch und Umwelt zu reduzieren.

    Ebenso wichtig wie die Einhaltung der Gefahrgutvorschriften sind geeignete Notfall- und Business- Continuity-Pläne, die eine rasche Betriebsfortführung ermöglichen. Entscheidend ist, Szenarien zu entwickeln, die auch Mehrfachgefährdungen wie Feuer/Explosion, Natur- gefahren, Terrorismus, Cyber etc. berücksichtigen.

    Munich Re Experten
    Alfons Maier
    ist als Senior Loss Control Consultant im Bereich Corporate Claims bei Munich Re tätig.

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