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Wie wird ein Roboterauto versichert?
Wie wird ein Roboterauto versichert?
© Getty Images / George Clerk
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    Die ersten selbstfahrenden Autos sind bereits auf den Straßen, Automobilhersteller und Zulieferer testen ebenfalls selbstfahrende Autos, auch Apple und Amazon wollen in diesen Bereich einsteigen. In Deutschland soll ein längerer Autobahnabschnitt als Teststrecke freigegeben werden.

    Ein Gespräch mit Jochen Friedrichs, Senior Motor Consultant, Motor Consulting Unit (MCU), über die aktuellen Entwicklungen von selbstfahrenden Fahrzeugen und deren Auswirkungen für die Versicherungswirtschaft.

    Herr Friedrichs, wie schätzen Sie die Entwicklungen ein?

    Die Technik ist schon sehr weit fortgeschritten und ich gehe davon aus, dass sie bereits in fünf Jahren Serienreife erreichen könnte.

    Unter dem Begriff „autonomes Fahren“ verstehen nicht immer alle dasselbe...

    Manche denken an den rollenden Superautomaten, der fahrerlos spielend mit jeder Verkehrssituation klarkommt. Momentan geht es aber insbesondere um die Vorstufen: Automatisiertes Fahren auf Autobahnen und Landstraßen oder automatisches Parken, relativ einfache Szenarien im Straßenverkehr also.

    Wie lassen sich denn die Stufen des autonomen Fahrens definieren?

    Die amerikanische National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) hat eine Skala von 0 bis 4 entwickelt: Klasse 0 umfasst  Fahrzeuge ohne jegliche Automatisierungshilfe, Klasse 4 beschreibt das vollkommen autonome Fahren, mit oder ohne Insassen im Fahrzeug. Die Vision der Automobilhersteller und IT-Unternehmen ist das komplett fahrerlose Gefährt, das künftig nicht nur Menschen transportiert, sondern auch Güter bewegt.

    In den ersten Jahren werden Autos der Stufen 0 bis 4 unterwegs sein. Was bedeutet das für die Haftung?

    Darüber wird in der Versicherungswirtschaft intensiv diskutiert. Derzeit gelten für Fahrzeuge insbesondere zwei wichtige Haftungsnomen: die Verschuldens- und die Gefährdungshaftung. Wenn man dies nun auf ein fahrerloses Szenario überträgt, stellt sich schnell die Frage, ob eine Verschuldenshaftung greifen kann, wenn es gar keinen Fahrer gibt. Die Gefährdungshaftung gilt jedoch auch für fahrerlose Roboterfahrzeuge. Wir werden aber auch Schadenfälle sehen, bei denen eine Haftung aus Verschulden, etwa eines Dritten oder eines Herstellers, denkbar sind.

    Viele bringen in diesem Zusammenhang eine Verschiebung der Haftung in Richtung Produkthaftpflicht ins Spiel.

    Es wird sicherlich in den Schadenabteilungen der Versicherer zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit Herstellern, Zulieferern oder Drittfirmen im Rahmen des Produkthaftpflichtrechts kommen. Denn künftig wird sicherlich häufiger vermutet, dass das Versagen einer technischen Einheit oder ein Softwarefehler einen Unfall ausgelöst haben könnte. Das wird die Schadenabteilungen der Kfz-Versicherer bei der Regulierung stärker beschäftigen als bisher. Um solche Fälle zu erkennen, werden dann Spezialisten mit hohem technischen Sachverstand benötigt.

    Auch auf der Deckungsseite bringt die künftige Situation Herausforderungen für Kfz-Versicherer mit sich. Was wird sich ändern?

    Gefragt sind natürlich Deckungsangebote, die die spezifischen neuen Risiken absichern. Zugleich müssen geschädigte Unfallopfer weiterhin uneingeschränkt Deckung bekommen. Gerade in sehr entwickelten Märkten wie den USA, Großbritannien und in einigen Märkten in Westeuropa müssen Versicherer mit den technischen Möglichkeiten wachsen. Die Anforderungen für Produktentwickler, aber auch an Aktuare und die Rechtsabteilung werden mit der neuen Technik ebenfalls größer.

    Wie werden sich diese Entwicklungen auf den Kfz-Versicherungskunden bzw. die Prämien auswirken?

    Ein wesentliches Ziel des autonomen Fahrens ist, die Verkehrssituation in den Ballungszentren weltweit zu entlasten und das Autofahren insgesamt sicherer zu machen. Daher besteht auch die berechtigte Hoffnung, dass durch automatisiertes Fahren Anzahl und Ausmaß der Schäden signifikant zurückgehen. Diese Erwartung teilen wir. Wenn die Grundlast in einer Versicherungssparte sinkt, dann werden sich wohl auch die Prämien nach unten bewegen.

    Wird die klassische Autoversicherung, wie wir sie heute kennen, also aussterben?

    Ich glaube, die Digitalisierung der (auto)mobilen Welten wird neue Versicherungsprodukte in der Kraftfahrtversicherung erforderlich machen, etwa eine Art Cyberdeckung für Fahrzeuge. Denn Autos sprechen künftig miteinander, lassen sich über das Smartphone fernsteuern und kommunizieren über zahlreiche Schnittstellen mit ihrer Umwelt. Das bringt viele Angriffspunkte für Hacker oder andere Angreifer.

    Wer ist hier gefordert – nur die Hersteller oder auch die Nutzer, die sich – vielleicht zu leichtfertig – auf die Technologie verlassen?

    Das bringt eine hohe Verantwortung für beide Seiten: Die Hersteller müssen sich über den immensen Serviceaufwand im Klaren sein, den die fehlerfreie und absolut sichere Instandhaltung von Software, Apps und Programmcode erfordert. Die Nutzer hingegen werden wahrscheinlich sehr bald einen Virenscanner für ihr Fahrzeug benötigen. In diesem Zusammenhang ist für Versicherer beispielsweise auch die Frage interessant, welche Konsequenzen eine nicht rechtzeitige oder absichtlich unterlassene Aktualisierung einer Firmware oder einer App durch den Autohalter für den Versicherungsschutz nach sich ziehen wird.

    Welche Herausforderungen stellen sich denn unter ethischen Gesichtspunkten?

    Bisher war es doch so: Wenn man als Autofahrer einen schweren Verkehrsunfall verursachte, dann war das ein sehr tragisches Ereignis für alle Beteiligten. Beim automatisierten Fahren müssen Verhaltensszenarien über Algorithmen im Vorfeld programmiert werden: Wie soll sich das Fahrzeug verhalten, was ist schutzwürdiger, das Leben des Fahrers, das des entgegenkommenden Fahrers, die Umwelt? Der Computer berechnet, ob bei einer brenzligen Situation ein Fußgänger überfahren wird oder er das Auto nach links ausweichen lässt und damit in ein entgegenkommendes Fahrzeug steuert. Das sind sehr komplexe Fälle mit weitreichenden Konsequenzen. Wer möchte, kann und darf so etwas am Schreibtisch entscheiden und entsprechend programmieren?

    Wie positioniert sich Munich Re in diesem Themenkomplex?

    Wir verfolgen die technische Entwicklung sehr genau und führen viele Gespräche mit Automobilherstellern und IT-Unternehmen. Gegenüber unseren Zedenten und Kunden sehen wir uns als Ideengeber und Gestalter, um unseren Kunden Orientierung zu geben. Wir helfen, die Auswirkungen der neuen Techniken auf Geschäftsmodelle und Märkte richtig einzuschätzen.

    Munich Re Experts
    Jochen Friedrichs
    Senior Motor Consultant in the Motor Consulting Unit (MCU)

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