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Versicherer in der Pflicht
Versicherer in der Pflicht
© Picture Alliance / dpa / Olivier Hoslet
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    Embargos und Sanktionen beschränken die Freiheit im Außenwirtschaftsverkehr. Versicherer müssen gewährleisten, dass sie die Bestimmungen nicht nur im Underwriting, sondern auch bei der Schadenabwicklung einhalten. IT-gestützte Lösungen bieten einen ersten Anhaltspunkt, können aber die aufwendige Einzelfallprüfung nicht ersetzen.
    Einschränkungen im Handel mit Gütern und Dienstleistungen oder im grenzüberschreitenden Kapital und Zahlungsverkehr können neben den Vereinten Nationen auch die Europäische Union sowie jedes Land für sich beschließen. Verhängt die EU-Sanktionen, gelten diese automatisch in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Die Deutsche Bundesbank listet (Stand April 2016) 25 Staaten auf, die seitens der EU mit Sanktionen im Kapital- und Zahlungsverkehr belegt sind. Neben den Beschränkungen für einzelne Länder sind auch restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (sogenannte personenbezogene, länderunabhängige Sanktionen) aufgeführt, die sich gegen einzelne Personen, Einrichtungen oder Organisationen richten.

    Sanktionen können je nach ihrer Zielsetzung eine unterschiedliche Tragweite entfalten. Eine vollständige Unterbrechung der Handelsbeziehungen ist ebenso möglich wie eine sektorale Beschränkung für bestimmte Wirtschaftszweige (zum Beispiel für die Erdölexploration und -förderung im Offshore-Gebiet nördlich des Polarkreises).

    Finanzsanktionen zielen in der Regel darauf ab zu verhindern, dass Gelder oder andere wirtschaftliche Ressourcen gelisteten Personen oder Organisationen direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden.

    Sanktionslisten schaffen Überblick

    Die Versicherungsbranche hat durch interne Verfahren und Leitlinien sicherzustellen, dass sie die jeweils gültigen Vorschriften aus Embargo- und Sanktionsregelungen einhält. Die Nichtbeachtung stellt ein hohes Reputationsrisiko dar, kann zu erheblichen Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen führen und unter Umständen den Verlust des Marktzugangs in bestimmten Regionen zur Folge haben.

    Einen ersten Anhaltspunkt, wer im Einzelnen von Beschränkungen betroffen ist, bieten Sanktionslisten. Es handelt sich um offizielle Verzeichnisse, die Personen, Gruppen, Organisationen oder Wirtschaftsgüter aufführen, gegen die bzw. für die wirtschaftliche und/oder rechtliche Einschränkungen angeordnet wurden. Schon hier beginnt die erste Herausforderung, beinhaltet doch bereits die konsolidierte Sanktionsliste der EU mehrere Hundert Einträge, die teilweise über verschiedene Schreibweisen verfügen. Als problematisch erweist sich zudem, dass unterschiedliche Sanktionslisten und Verordnungen etwa der Vereinten Nationen, der EU sowie der USA existieren und diese nicht immer deckungsgleich sind. Ob spezielle Wirtschaftsgüter oder -zweige betroffen sind, geht aus den Listen außerdem nicht direkt hervor, sondern muss anhand der jeweiligen Verordnungen ermittelt werden.

    Welche Sanktionen gelten, ergibt sich aus den gesellschaftsrechtlichen Strukturen eines Unternehmens: Maßgeblich sind die Bestimmungen an dem Ort, an dem beispielsweise ein Versicherer seinen Hauptsitz hat. Betroffen sind aber auch die Niederlassungen von Großunternehmen im Ausland, denn sie sind gesellschaftsrechtlich Teil der juristischen Person und insoweit an die Sanktionsnormen gebunden. Eigenständige ausländische Tochtergesellschaften hingegen sind rein rechtlich von den Sanktionsvorgaben ausgenommen, unterliegen jedoch den Bestimmungen des jeweiligen Landes, in dem sich die Töchter befinden. Aber auch bei ihnen kann sich aus dem betriebenen Geschäft wiederum ein Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit von Sanktionen ergeben. Zudem sind dort mögliche Tatbestände wie Umgehung oder Beihilfe zu beachten. Mitarbeiter im Ausland müssen zusätzlich sicherstellen, dass sie die Vorgaben einhalten, die für ihre Nationalität gelten. So muss etwa ein Deutscher in Singapur zu den dort geltenden Sanktionen auch die Vorgaben der EU einhalten.

    Konsequenzen für die Versicherungsbranche

    Abb. 1: Entscheidungsbaum für das Underwriting
    © Source: Group Compliance, Munich Re
    Abb. 1: Entscheidungsbaum für das Underwriting
    Die Grafik zeigt das exemplarische Vorgehen bei der Prüfung eines Geschäfts hinsichtlich Sanktionen. In der Realität gestaltet sich der Prozess durchaus komplexer.
    Lange Zeit wurden Erst- und Rückversicherer nicht explizit in den Sanktionsverordnungen genannt. Seit 2009 hat sich das geändert, sodass die Assekuranz inzwischen stärker in der Pflicht steht. Schon beim Underwriting muss geprüft werden, ob mögliche Berührungspunkte zu Sanktionsbestimmungen bestehen (Abb. 1). Wie das Beispiel einer Transportversicherung (Abb. 2) zeigt, kann diese Prüfung recht umfangreich ausfallen, da eine Vielzahl von Beteiligten involviert ist. In der Rückversicherung kommt es zudem darauf an, welchen Bestimmungen der Erstversicherungskunde unterliegt. Gilt für beide Versicherer etwa europäisches Recht, so ist in der Regel davon auszugehen, dass sich der Kunde sanktionskonform verhält, da er sich im gleichen Rechtsumfeld bewegt. Dennoch sollte der Rückversicherer über eigene Due-Diligence-Prozesse sicherstellen, dass dem Kunden der Umgang mit Sanktionen seitens des Rückversicherers bekannt und bewusst ist. Befindet sich der Erstversicherer außerhalb der EU, sind weitergehende Due-Diligence-Prozesse, insbesondere eine tiefergehende Prüfung, nötig.

    Bestehen Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Sanktionen, müssen entsprechende Ausschlussklauseln vereinbart werden. Gelingt dies nicht, darf das Geschäft nicht gezeichnet werden.

    Weitere Sorgfaltspflichten gilt es zu beachten, wenn im Rahmen des Versicherungsvertrags zu einem späteren Zeitpunkt Zahlungen geleistet werden sollen. Für die Schadenabteilung eines Versicherers bedeutet dies, dass sie zum Zeitpunkt der Schadenbearbeitung, insbesondere aber unmittelbar vor Schadenauszahlung, eine Prüfung im Rahmen der Due Diligence vornehmen muss. Denn das Sanktionsregime kann sich in der Zwischenzeit erheblich verändert haben.

    Hier spielt eventuell auch eine Rolle, in welcher Währung der Versicherungsvertrag abgewickelt werden soll. Weil Dollar-Zahlungen grundsätzlich über eine US-Clearingstelle laufen, muss auch US-Sanktionsrecht beachtet werden. Gleiches gilt, wenn die Zahlung zwar in einer anderen Währung erfolgt, aber über eine US-Bank getätigt wird.
    Abb. 2: Prüfpunkte bei der Transportversicherung
    © Source: Group Compliance, Munich Re
    Abb. 2: Prüfpunkte bei der Transportversicherung
    Das Underwriting muss zunächst feststellen, ob und welche Regelungen zu beachten sind. Danach folgt die Auslegung dieser Regeln im Hinblick auf das betriebene Geschäft und die gedeckten Risiken. Da die Politik Sanktionen immer häufiger zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzt, wird das Thema für die Versicherer noch mehr an Bedeutung gewinnen.

    Herausforderungen für das operative Geschäft

    Welche Herausforderungen sich im täglichen Geschäft ergeben können, lässt sich an einem fiktiven Beispiel zeigen: Ein russischer Zedent stellt 2013 eine Deckungsanfrage für ein Projektgeschäft in dem Land. Der Zedent verfügt originalseitig über 30 Versicherte und erhält nach Prüfung des europäischen Rückversicherers eine Deckungszusage. Da zu diesem Zeitpunkt keine Sanktionen gegenüber Russland bestanden, musste das Underwriting diesbezüglich keine Prüfung vornehmen. Das änderte sich im März 2014, als die EU Sanktionen gegen das Land verhängte. Als 2015 bei dem Projekt ein Schaden eintrat, musste der Rückversicherer die neue Ausgangslage berücksichtigen.

    Für eine vollständige Prüfung im Rahmen der Due Diligence reicht es nicht aus, ausschließlich den Zedenten sanktionsrechtlich zu überprüfen, obwohl nur mit ihm ein Vertragsverhältnis besteht. Vielmehr ist der Rückversicherer dazu verpflichtet, alle möglichen Begünstigten, die von einer Zahlung des Zedenten profitierten könnten, hinsichtlich einschlägiger Sanktionen zu prüfen.

    Das gilt insbesondere, da der Zedent seinen Sitz außerhalb der EU hat und daher nicht an EU-Bestimmungen gebunden ist. Ihm steht es demnach frei, Zahlungen auch an Personen oder Organisationen zu leisten, gegen welche die EU Sanktionen verhängt hat. Unternehmen bzw. natürliche Personen in der EU dürfen hingegen weder unmittelbar noch mittelbar wirtschaftliche Ressourcen sanktionierten Personen oder Unternehmen zukommen lassen.

    Bei der Prüfung, ob ein Unternehmen unter die EUSanktionen fällt, müssen soweit möglich auch die Shareholderstrukturen betrachtet werden. Es kann sein, dass ein Unternehmen selbst nicht auf der Sanktionsliste steht, aber ein oder mehrere Anteilseigner. Wird dabei eine Anteilsschwelle von 50 Prozent überschritten, ist das Unternehmen so zu behandeln, als fiele es selbst unter das Sanktionsregime. Zahlungen, die diesem Unternehmen aus dem Schadenfall eigentlich zustehen, dürfen nicht geleistet werden. Dies kann man über eine anteilige Kürzung der Zahlung an den Zedenten erreichen oder alternativ über eine Settlementvereinbarung mit dem Zedenten, die sicherstellt, dass das sanktionierte Unternehmen keine Zahlungen erhält.

    Screening mit spezieller Software

    Bei der Analyse komplexer Shareholderstrukturen helfen spezielle Screening Tools. Damit lassen sich geplante Zahlungstransaktionen und Kundendaten auf Embargoverstöße und Finanzsanktionen prüfen. Am Markt existiert dazu eine Vielzahl von Software- Produkten, welche die eigenen Daten mit denen der Sanktionslisten abgleichen. Ergibt die Prüfung mit dem Screening Tool, dass ein Zahlungsauftrag möglicherweise eine unter Sanktionen stehende Person oder Organisation begünstigt, muss die Ausführung gestoppt werden.

    Weil Sanktionslisten nicht alle Informationen über Sanktionen enthalten (zum Beispiel über relevante Beteiligungsverhältnisse) und der automatische Abgleich möglicherweise falsche Ergebnisse liefert, ist häufig zusätzlich eine individuelle Prüfung nötig. Munich Re hat dazu die Einheit Central Unit Sanctions geschaffen. Sie ist im Bereich Group Compliance angesiedelt und setzt sich aus Mitarbeitern zusammen, die bereits viel Erfahrung bei der Analyse von Sanktionsbestimmungen und im operativen Geschäft gesammelt haben.

    Die Einheit prüft, ob der Zahlungsauftrag tatsächlich einen Verstoß gegen die Sanktionsvorschriften begründet. Denkbar neben der genannten Analyse von Shareholderstrukturen wäre etwa ein Fall, bei dem der Zahlungsbegünstigte und die sanktionierte Person nicht identisch sind, also die Namen zwar übereinstimmen, nicht aber die Adresse oder das Geburtsdatum. Weitere Aufgabe der Central Unit Sanctions ist es, jede Entscheidung aus Revisionsgründen zu dokumentieren.

    Fazit

    Die Einhaltung von Sanktionsvorschriften stellt Unternehmen vor immer größere Schwierigkeiten – allein schon aufgrund der umfangreicheren Sanktionsprogramme. Zudem werden die personen-, güter- und dienstleistungsbezogenen Bestimmungen laufend ergänzt und aktualisiert, was den Überblick erschwert. Die Versicherer sind gefordert, die Problematik im Auge zu behalten, sich durch entsprechende Compliance-Maßnahmen abzusichern und die Rechtslage im Einzelfall genau zu prüfen. So vermeiden sie Verstöße, die unter Umständen erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.

    Eine Prüfung der Sanktionslisten allein mithilfe von IT-basierten Screening Tools reicht nicht aus. Vielmehr sind für die Ermittlung etwa der genauen Beteiligungsverhältnisse, des Exposures von Deckungen oder der Analyse der Sanktionsbestimmungen Spezialisten gefragt. Für kleine und mittlere Versicherer, die diese Aufgabe hausintern nicht stemmen können, bleibt nur die Möglichkeit, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Die Verantwortung für die korrekte Einhaltung der Bestimmungen liegt jedoch stets beim Unternehmen selbst.
    Experte
    Urs Alexander Mayer
    berät als Compliance Officer die Munich Re Gruppe in allen Fragen rund um das Thema Sanktionen.
    Als Rechtsanwalt hat er 15 Jahre Erfahrung in Erst- und Rückversicherung.

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