Versicherer in der Pflicht
7 Minuten Lesezeit
Publiziert am 24.08.2016
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Sanktionen können je nach ihrer Zielsetzung eine unterschiedliche Tragweite entfalten. Eine vollständige Unterbrechung der Handelsbeziehungen ist ebenso möglich wie eine sektorale Beschränkung für bestimmte Wirtschaftszweige (zum Beispiel für die Erdölexploration und -förderung im Offshore-Gebiet nördlich des Polarkreises).
Finanzsanktionen zielen in der Regel darauf ab zu verhindern, dass Gelder oder andere wirtschaftliche Ressourcen gelisteten Personen oder Organisationen direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden.
Sanktionslisten schaffen Überblick
Einen ersten Anhaltspunkt, wer im Einzelnen von Beschränkungen betroffen ist, bieten Sanktionslisten. Es handelt sich um offizielle Verzeichnisse, die Personen, Gruppen, Organisationen oder Wirtschaftsgüter aufführen, gegen die bzw. für die wirtschaftliche und/oder rechtliche Einschränkungen angeordnet wurden. Schon hier beginnt die erste Herausforderung, beinhaltet doch bereits die konsolidierte Sanktionsliste der EU mehrere Hundert Einträge, die teilweise über verschiedene Schreibweisen verfügen. Als problematisch erweist sich zudem, dass unterschiedliche Sanktionslisten und Verordnungen etwa der Vereinten Nationen, der EU sowie der USA existieren und diese nicht immer deckungsgleich sind. Ob spezielle Wirtschaftsgüter oder -zweige betroffen sind, geht aus den Listen außerdem nicht direkt hervor, sondern muss anhand der jeweiligen Verordnungen ermittelt werden.
Welche Sanktionen gelten, ergibt sich aus den gesellschaftsrechtlichen Strukturen eines Unternehmens: Maßgeblich sind die Bestimmungen an dem Ort, an dem beispielsweise ein Versicherer seinen Hauptsitz hat. Betroffen sind aber auch die Niederlassungen von Großunternehmen im Ausland, denn sie sind gesellschaftsrechtlich Teil der juristischen Person und insoweit an die Sanktionsnormen gebunden. Eigenständige ausländische Tochtergesellschaften hingegen sind rein rechtlich von den Sanktionsvorgaben ausgenommen, unterliegen jedoch den Bestimmungen des jeweiligen Landes, in dem sich die Töchter befinden. Aber auch bei ihnen kann sich aus dem betriebenen Geschäft wiederum ein Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit von Sanktionen ergeben. Zudem sind dort mögliche Tatbestände wie Umgehung oder Beihilfe zu beachten. Mitarbeiter im Ausland müssen zusätzlich sicherstellen, dass sie die Vorgaben einhalten, die für ihre Nationalität gelten. So muss etwa ein Deutscher in Singapur zu den dort geltenden Sanktionen auch die Vorgaben der EU einhalten.
Konsequenzen für die Versicherungsbranche
Bestehen Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Sanktionen, müssen entsprechende Ausschlussklauseln vereinbart werden. Gelingt dies nicht, darf das Geschäft nicht gezeichnet werden.
Weitere Sorgfaltspflichten gilt es zu beachten, wenn im Rahmen des Versicherungsvertrags zu einem späteren Zeitpunkt Zahlungen geleistet werden sollen. Für die Schadenabteilung eines Versicherers bedeutet dies, dass sie zum Zeitpunkt der Schadenbearbeitung, insbesondere aber unmittelbar vor Schadenauszahlung, eine Prüfung im Rahmen der Due Diligence vornehmen muss. Denn das Sanktionsregime kann sich in der Zwischenzeit erheblich verändert haben.
Hier spielt eventuell auch eine Rolle, in welcher Währung der Versicherungsvertrag abgewickelt werden soll. Weil Dollar-Zahlungen grundsätzlich über eine US-Clearingstelle laufen, muss auch US-Sanktionsrecht beachtet werden. Gleiches gilt, wenn die Zahlung zwar in einer anderen Währung erfolgt, aber über eine US-Bank getätigt wird.
Herausforderungen für das operative Geschäft
Für eine vollständige Prüfung im Rahmen der Due Diligence reicht es nicht aus, ausschließlich den Zedenten sanktionsrechtlich zu überprüfen, obwohl nur mit ihm ein Vertragsverhältnis besteht. Vielmehr ist der Rückversicherer dazu verpflichtet, alle möglichen Begünstigten, die von einer Zahlung des Zedenten profitierten könnten, hinsichtlich einschlägiger Sanktionen zu prüfen.
Das gilt insbesondere, da der Zedent seinen Sitz außerhalb der EU hat und daher nicht an EU-Bestimmungen gebunden ist. Ihm steht es demnach frei, Zahlungen auch an Personen oder Organisationen zu leisten, gegen welche die EU Sanktionen verhängt hat. Unternehmen bzw. natürliche Personen in der EU dürfen hingegen weder unmittelbar noch mittelbar wirtschaftliche Ressourcen sanktionierten Personen oder Unternehmen zukommen lassen.
Bei der Prüfung, ob ein Unternehmen unter die EUSanktionen fällt, müssen soweit möglich auch die Shareholderstrukturen betrachtet werden. Es kann sein, dass ein Unternehmen selbst nicht auf der Sanktionsliste steht, aber ein oder mehrere Anteilseigner. Wird dabei eine Anteilsschwelle von 50 Prozent überschritten, ist das Unternehmen so zu behandeln, als fiele es selbst unter das Sanktionsregime. Zahlungen, die diesem Unternehmen aus dem Schadenfall eigentlich zustehen, dürfen nicht geleistet werden. Dies kann man über eine anteilige Kürzung der Zahlung an den Zedenten erreichen oder alternativ über eine Settlementvereinbarung mit dem Zedenten, die sicherstellt, dass das sanktionierte Unternehmen keine Zahlungen erhält.
Screening mit spezieller Software
Weil Sanktionslisten nicht alle Informationen über Sanktionen enthalten (zum Beispiel über relevante Beteiligungsverhältnisse) und der automatische Abgleich möglicherweise falsche Ergebnisse liefert, ist häufig zusätzlich eine individuelle Prüfung nötig. Munich Re hat dazu die Einheit Central Unit Sanctions geschaffen. Sie ist im Bereich Group Compliance angesiedelt und setzt sich aus Mitarbeitern zusammen, die bereits viel Erfahrung bei der Analyse von Sanktionsbestimmungen und im operativen Geschäft gesammelt haben.
Die Einheit prüft, ob der Zahlungsauftrag tatsächlich einen Verstoß gegen die Sanktionsvorschriften begründet. Denkbar neben der genannten Analyse von Shareholderstrukturen wäre etwa ein Fall, bei dem der Zahlungsbegünstigte und die sanktionierte Person nicht identisch sind, also die Namen zwar übereinstimmen, nicht aber die Adresse oder das Geburtsdatum. Weitere Aufgabe der Central Unit Sanctions ist es, jede Entscheidung aus Revisionsgründen zu dokumentieren.
Fazit
Eine Prüfung der Sanktionslisten allein mithilfe von IT-basierten Screening Tools reicht nicht aus. Vielmehr sind für die Ermittlung etwa der genauen Beteiligungsverhältnisse, des Exposures von Deckungen oder der Analyse der Sanktionsbestimmungen Spezialisten gefragt. Für kleine und mittlere Versicherer, die diese Aufgabe hausintern nicht stemmen können, bleibt nur die Möglichkeit, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Die Verantwortung für die korrekte Einhaltung der Bestimmungen liegt jedoch stets beim Unternehmen selbst.
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Experte
Urs Alexander Mayer
berät als Compliance Officer die Munich Re Gruppe in allen Fragen rund um das Thema Sanktionen.
Als Rechtsanwalt hat er 15 Jahre Erfahrung in Erst- und Rückversicherung.
- umayer@munichre.com
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