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Unterstützung aus dem All
Dürre und Flut stellen erhebliche Risiken für die Landwirtschaft dar. Wo traditionelle Versicherungen gegen Ernteausfälle nicht greifen, sind innovative Lösungen gefragt.
Harvesting of soy bean field
© fotokostic / Getty Images
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    Zusammen mit dem Ag-Tech-Start-up S4 hat Munich Re eine Agrardeckung entwickelt, die satellitengestützt den Schadenfall automatisch feststellt.

    Das Management von Agrarrisiken in der landwirtschaftlichen Produktion gewinnt an Bedeutung. Mit einem geschätzten globalen Prämienaufkommen von circa 30 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 und durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 20 Prozent hat sich das Volumen der Agrarversicherung seit 2004 vervierfacht. In manchen Fällen ist die traditionelle Ernteversicherung mit individueller Schadenfeststellung jedoch nicht praktikabel. Dies gilt insbesondere für Schwellen- oder Entwicklungsländer, wo Daten für eine individuelle Ertragsversicherung fehlen oder nicht ausreichend transparent sind.

    Hier bieten indexbasierte Versicherungen, die sich auf einen Ertragsindex oder auf das Agrarwetter stützen, eine Möglichkeit, sich einfach und kostengünstig abzusichern. Zum Beispiel mithilfe eines Niederschlagsindex, der an einer repräsentativen Wetterstation zur Schadenfeststellung herangezogen wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man spart sich die aufwendige Schadenbegutachtung auf den Feldern und kann die Versicherten rasch entschädigen.

    Innovative Deckung gegen Dürreschäden

    Der Einsatz von Fernerkundungssystemen eröffnet ganz neue Produktkonstruktionen. Munich Re arbeitet dazu mit dem auf Ag-Tech spezialisierten argentinischen Start-up S4 zusammen. Der Schwerpunkt der Firma liegt in der Entwicklung von datenbasierten Analysetools für die Landwirtschaft. Die Tools sollen dazu beitragen, höhere Erträge zu erzielen oder Risiken besser zu managen. Zusammen mit dem Versicherungs-Knowhow von Munich Re lassen sich diese Tools auch weitergehend nutzen. Entstanden ist so eine innovative Lösung, mit der sich Landwirte im argentinischen Sojaanbau gegen Dürreschäden absichern können. Ursprünglich als Marketinginstrument für einen Saatgut- und Pflanzenschutzmittelhersteller konzipiert, der seinen Kunden bei Ernteausfällen die Kosten für das Saatgut ersetzen wollte, eröffnet diese Art der Absicherung weitere Einsatzbereiche.

    Eine große Hürde bei der Entwicklung indexgebundener Versicherungsprodukte besteht darin, verlässliche und passgenaue Daten für den Eintritt eines Schadenfalls zu ermitteln. S4 hat dazu einen Vegetationsindex für unterschiedliche Regionen (Countys) in Argentinien erstellt. Er wurde so konstruiert, dass er eine hohe Korrelation mit dem Ertrag aufweist und so eine gute Näherung für die tatsächliche Sojaernte darstellt. Für die Schadenermittlung ist entscheidend, wie sich dieser Index im jeweiligen County entwickelt. Liegt er unterhalb eines festgelegten Triggers, erhalten die Landwirte in dem County eine Entschädigung, unabhängig davon, wie es tatsächlich um die Ernte auf ihrem Feld bestellt ist. Um die Deckung möglichst transparent zu gestalten, werden die aktuellen Werte des Vegetationsindex an der Warenterminbörse Rosario Future Exchange (ROFEX) für die unterschiedlichen Countys getrennt veröffentlicht.

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    © NASA/Munich Re, Getty Images/iStockphoto/fotokostic

    Neuland betreten

    Als Basis für die Berechnung dient der Enhanced Vegetation Index (EVI), den die US-Raumfahrtbehörde NASA frei veröffentlicht und der sich auf Satellitendaten stützt. Im konkreten Fall liest S4 den EVI für die Gebiete aus, auf denen Soja angebaut wird beziehungsweise wurde. Die Daten sind für die vergangenen 17 Jahre in einer räumlichen Auflösung von 250 mal 250 Metern verfügbar. Dabei machen sich Vegetationsindizes eine Besonderheit im Pflanzenwachstum zunutze: Je vitaler (grüner) eine Pflanze ist, desto mehr steigt der Reflexionsgrad im Spektralbereich vom roten zum nah-infraroten Bereich. Mit der Indexabsicherung für den Sojaanbau in Argentinien haben Munich Re und S4 Neuland betreten. Bislang kamen Vegetationsindizes nur bei Weideland zum Einsatz. Dort ist die Ermittlung der Erträge insofern leichter, als bei Gras allein die Biomasse das Ertragsziel ist. Bei Feldfrüchten wie Weizen, Soja oder Mais hingegen ist die Biomasse kein aussagekräftiger Indikator für den Ernteertrag, weil beispielsweise bereits bei der Bestäubung Probleme aufgetreten sein können.

    Viele Hürden zu nehmen

    Um ein verlässliches Produkt zu entwickeln, musste man eine ausreichend lange Zeitreihe der Satellitenaufnahmen mit den tatsächlichen Ernteerträgen auf den Feldern vergleichen. Voraussetzung dafür ist, dass man die jeweils angebaute Feldfrucht erkennt, was nur mit einer relativ hohen räumlichen Auflösung und entsprechenden Rechenkapazitäten funktioniert. Zudem kommt es bei der Indexermittlung darauf an, wann im Verlauf der Vegetationsperiode die Satellitenaufnahmen entstehen: Während die Felder kurz nach der Saat wenig aussagekräftig sind, stehen die Pflanzen vier bis acht Wochen vor der Ernte am Höhepunkt ihrer Vegetationsphase. In diesem Stadium sind sie gut als Indikator für die bevorstehende Erntemenge geeignet.

    Die satellitengestützte Indexversicherung ist für Argentinien prädestiniert, weil dort der Sojaanbau in großem Stil erfolgt. Ganz anders stellt sich die Ausgangslage etwa in Mexiko oder Indien dar, wo auf verhältnismäßig kleinen Flächen unterschiedliche Feldfrüchte angebaut sind. Hier stößt eine Versicherung, die sich auf einen Vegetationsindex stützt, mangels aussagekräftiger Daten rasch an ihre Grenzen. Ein weiteres Manko ist, dass Ernteverluste durch Hagel, Schädlinge oder Überschwemmungen und Flut, die nach Ermittlung des Vegetationsindex auftreten, bei der Absicherung nicht berücksichtigt sind. S4 hat deshalb bereits einen zusätzlichen Überschwemmungstrigger für die Erntezeit entwickelt. Dieser basiert ebenfalls auf Satellitendaten und spiegelt den Anteil an überschwemmter Fläche in einem County wider. Damit ist ein Großteil möglicher Agrarschäden abgedeckt.

    Was tun, wenn der Satellit ausfällt?

    Ein Problem bei der Fernerkundung über Satelliten ist der plötzliche Ausfall eines Systems, für das es keinen raschen Ersatz gibt. Fehlende Daten zum Vegetationsfortschritt lassen sich aber zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachholen, sodass bei indexbasierten Versicherungsprodukten für diesen Fall Alternativen vorgesehen werden müssen.

    Bei der Argentinien-Deckung für Soja stammen die Daten von zwei NASA-Satelliten (Aqua und Terra mit einem Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer MODIS), deren gleichzeitiger Ausfall wenig wahrscheinlich ist. Doch ist deren Lebensdauer wegen des benötigten Treibstoffs für Bahnkorrekturen beschränkt. Aktuell sieht die NASA gute Chancen, dass die beiden Satelliten bis in die frühen 2020er-Jahre funktionieren. Der oder die Nachfolger werden aufgrund des technischen Fortschritts über andere Sensoren verfügen, deren Daten sich nicht unmittelbar mit den vorhandenen Datensätzen vergleichen lassen. Das betrifft sowohl die Auflösung als auch die Bereiche der Erdoberfläche, die regelmäßig gescannt werden. Eine Neukalibrierung der bestehenden Zeitreihen ist dann unumgänglich.

    Fruchtbare Zusammenarbeit

    Die Zusammenarbeit mit S4 hat sich für beide Seiten von Anfang an als vorteilhaft erwiesen. Das Projekt belegt, dass Innovationen entstehen, wenn man neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist. Gerade bei landwirtschaftlichen Produktionsrisiken bietet die Kombination aus langjährigem Versicherungswissen mit digitalen Technologien die Basis für erfolgreiche Risikoabsicherungslösungen.

    Die Deckung für den Sojaanbau in Argentinien wird nun schon in der zweiten Saison angeboten. Außerdem gibt es ein erstes Pilotprojekt in den USA für Soja und Mais. Angestrebt wird zudem eine Expansion nach Brasilien, wo großes Marktpotenzial besteht. Andere mögliche Zielmärkte sind Australien und die Ukraine, wobei die Deckungen auch über Rohstoffhändler oder Banken direkt verkauft werden können.

    Entscheidend für die weitere Verbreitung von triggerbasierten Agrarversicherungen ist, dass die Versicherungsnehmer auch tatsächlich die Funktionsweise verstehen und sich hinsichtlich des unvermeidlichen Basisrisikos im Klaren sind. Im Fall einer durch das Basisrisiko begründeten Nichtentschädigung – trotz individuellen Schadens wurde der Trigger nicht ausgelöst – laufen
    Versicherer andernfalls Gefahr, in die Kritik zu geraten oder einen Reputationsschaden zu erleiden.

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    Ernst Bedacht
    Senior Underwriter, Special & Financial Risks

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