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Generative künstliche Intelligenz gilt als eine der bahnbrechendsten technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Fabian Winter, Chief Data Officer für die Munich Re-Gruppe, sieht für Versicherer große Chancen – wenn sie die Möglichkeiten der neuen Technologie ausloten und ihre Risiken verstehen.
Was glauben Sie, ist generative KI - ein Hype oder eine Revolution?
Fabian Winter: Mit generativer KI beobachten wir erstmals, dass sich KI disruptiv und nicht nur inkrementell auf viele Prozesse und auch Geschäftsmodelle auswirken kann. Mit der Einführung von ChatGPT haben große Teile der Gesellschaft – nicht nur Experten – zum ersten Mal die Möglichkeit, direkt mit künstlicher Intelligenz zu interagieren. Und die Ergebnisse von ChatGPT und anderen Modellen sind verblüffend: Bilder, Texte, Programmiercode, Musik, 3D-Objekte – es gibt eine Fülle neuer Möglichkeiten, und in vielen Fällen ist die Qualität der Ergebnisse bereits auf einem sehr hohen Niveau. Und durch die weiterhin sehr hohen Investitionen werden die Modelle permanent besser.
Was sind die Herausforderung bei KI-gesteuerten Tools?
Generative KI bietet – noch viel mehr als klassische KI – Chancen und Risiken, die wir gegeneinander abwägen müssen. Sie kann uns helfen, Informationen viel schneller und einfacher zugänglich zu machen und die Effizienz und Qualität vieler Prozesse zu verbessern. Im Vergleich zur traditionellen KI gilt dies sogar für komplexere und kreative Aufgaben, wie etwa Programmierung oder die Erstellung von anspruchsvollen graphischen Arbeiten. In der Steuerung des Rückversicherungsgeschäfts gehen wir davon aus, dass dies unter anderem zu einer Entscheidungsunterstützung für unsere operativen Geschäftsfunktionen wie im Underwriting führen wird.
Unabhängig von der Technologie hängt die Qualität der Ergebnisse immer von der Qualität der verwendeten Daten und Prozesse ab. Im Gegensatz zu traditionellen KI-Modellen, die anhand von Daten trainiert werden, die von den jeweiligen Experten aufbereitet wurden, werden öffentlich verfügbare generative KI-Modelle auf einer Vielzahl öffentlich zugänglicher Datensätze trainiert. Wir haben keine Kontrolle mehr über die Trainingsdaten. Das bedeutet, dass generative KI-Modelle zwar Zugang zu vielen externen unstrukturierten Daten bieten können, aber auch, dass es Unsicherheiten bei der Verwendung dieser Modelle bezüglich der Qualität der Ergebnisse gibt. Andererseits stellt aber auch die Verbindung solcher Modelle mit unseren eigenen Daten eine Herausforderung für den Schutz unseres geistigen Eigentums dar. Deshalb sollten wir uns bei unserer digitalen Entwicklung weiterhin grundsätzlich von ethischen Überlegungen und Qualitätsanforderungen leiten lassen. Dazu gehört auch, die Anwender im Hinblick auf Best Practices und mögliche Gefahren zu schulen.
Wo stehen die Versicherer im Umgang mit generativer KI?
Wir stehen am Anfang. Wie in allen anderen Branchen auch gibt es bereits erste Anwendungen und Produkte. Die neuen Möglichkeiten der generativen KI auszuloten – aber auch ihre Risiken zu verstehen und nachhaltig zu managen –, ist eine lohnende Aufgabe und für unsere Versicherten von erheblicher Bedeutung.
Ich rate allen Branchenteilnehmern dringend, potenzielle Anwendungsfälle für ihr Unternehmen zu definieren. Letztendlich sind für eine erfolgreiche Umsetzung aber noch viele weitere Fragen zu beantworten: So eignen sich bestimmte Modelle (wie MedPaLM) besonders für das Verständnis medizinischer Texte, andere (wie Code LLaMa) für die Programmierung. Daher ist es wichtig, das richtige Modell zu wählen oder auch mehrere Modelle zu kombinieren, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Eine weitere wichtige Frage ist, ob und wie Standardmodelle in einem bestimmten Kontext, z. B. für eine Branche oder eine bestimmte Aufgabe, angepasst werden müssen. Um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern, gibt es verschiedene – mehr oder weniger aufwendige – Methoden. Diese reichen vom Formulieren passender Fragen („Prompt Engineering“) bis hin zum „Retraining“ der Modelle anhand versicherungsspezifischer Daten, d. h. der Anpassung der Parameter in den Algorithmen. Außerdem gilt es natürlich zu klären, wie wir unser geistiges Eigentum und unsere Daten schützen können, etwa indem wir eigene, gekapselte Modelle in einer proprietären Infrastruktur hosten.
Alle Fragen zu beantworten, die sich in Bezug auf Technik, Fachkräfte und Sicherheit ergeben, kann eine echte Herausforderung sein. Dank der Erfahrung und Expertise von Munich Re im Bereich KI können wir unsere Kunden dabei unterstützen, das Potenzial der generativen KI für ihre Anwendungsfälle zu heben.
Wohin geht die KI-Reise bei Munich Re?
Die großen, für die Allgemeinheit verfügbaren generativen KI-Tools sind zwar vielversprechend, für Munich Re aber nur begrenzt nützlich. Weil unsere Daten hochsensibel sind, gilt es, das aus ihnen gewonnene Wissen sorgfältig zu schützen. Deshalb müssen wir die Möglichkeiten einer in sich geschlossenen („gekapselten“) Sprachmodelllandschaft ausloten, die wir speziell für die Aufgaben bei Munich Re konzipieren. Diese muss auch unsere sehr strengen Anforderungen an den Schutz des geistigen Eigentums erfüllen. Bei der Anwendung von KI ist es unser vornehmliches Ziel, bedarfsorientierte Versicherungslösungen anzubieten, beispielsweise dem Kunden eine einfachere und schnellere Risikoprüfung beziehungsweise Schadenregulierung zu ermöglichen oder neuartige Risiken zu versichern. Das gilt nicht nur für die generative KI. Auch die „traditionelle“ KI kann und wird für Versicherer weiterhin einen Mehrwert bieten.
Zudem übernimmt Munich Re durch innovative Versicherungsprodukte wie aiSure™ das Performance-Risiko von Modellen, die auf KI beruhen. Über hundert Experten bei Munich Re befassen sich intensiv mit dem Thema künstliche Intelligenz – darunter immer mehr mit dem Fokus auf generativer KI. Indem wir unser Versicherungswissen mit KI-Wissen kombinieren, erforschen wir stetig neue Tätigkeitsfelder mit dem Ziel, die Grenzen der Versicherbarkeit zu erweitern und die Resilienz unserer Kunden zu stärken.