Gigantische Stürme, unterdurchschnittliche Schäden
Die Bilder der Zerstörungen durch Hurrikan Melissa auf Jamaika sind furchtbar. Weltweit betrachtet war es immerhin ein Jahr mit geringen Schäden durch tropische Wirbelstürme. Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Das war Zufall. Das Risiko bleibt und wird nicht kleiner - im Gegenteil.
Denn die Stürme blieben nicht aus: Drei Hurrikane explodierten förmlich zu Stürmen der höchsten Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten jenseits von 251 km/h (156 mph) – zuletzt gab es 2005 drei oder mehr Kategorie-5-Hurrikane. Hurrikan Melissa, einer der stärksten Stürme aller Zeiten, hinterließ auf Jamaica eine Schneise der Verwüstung. Zwei weitere Stufe-5-Hurrikan (Erin, Humberto) drehten glücklicherweise schon über dem Meer ab und tobten sich über dem Ozean aus. Das rettete Menschenleben und Milliardenwerte. Jeder dieser Stürme hätte in Ballungszentren katastrophale Schäden verursacht.
Nach vorläufigen Schätzungen hinterließen tropische Wirbelstürme im Nordatlantik und Ostpazifik (Hurrikane) sowie im Nordwestpazifik (Taifune) Gesamtschäden von 22 Mrd. US$. Versichert waren in etwa 4 Mrd. US$. Das ergibt ein Schadenbild weit unter den inflationsbereinigten Durchschnittswerten der vergangenen zehn (100/40 Mrd. US$) und 30 Jahre (67/26 Mrd. US$). Etwa die Hälfte der Gesamtschäden entfielen in diesem Jahr auf Asien-Pazifik.
Die Hurrikansaison in Zahlen:
Im Nordatlantik entwickelten sich während der Saison von Juni bis Ende November 13 tropische Wirbelstürme, davon fünf mit Hurrikanstärke. Ungewöhnlich hoch war der hohe Anteil besonders starker Stürme: Vier der fünf Hurrikane entwickelten sich zu schweren Stürmen der Kategorien 4 und 5 mit Windgeschwindigkeiten über 208 km/h (129 mph). Drei davon waren Hurrikane der höchsten Kategorie 5.
Die Gesamtzahl der Stürme im Nordatlantik blieb damit etwas unter dem langjährigen Durchschnitt, die Zahl der schweren Stürme mit besonders hoher Zerstörungskraft lag allerdings darüber (1991-2020: 14,4 benannte Stürme, davon 7,2 Hurrikane mit 3,2 schweren Hurrikanen).
Trotz hoher Meeresoberflächentemperaturen als Treiber starker Stürme begrenzten einige meteorologische Rahmenbedingungen die Sturmaktivität, zum Beispiel sehr trockene Luft („Sahara-Staub“) über dem Hauptentstehungsgebiet für Wirbelstürme westlich von Afrika.
Atmosphärische Besonderheiten bewirkten auch, dass die meisten schweren Stürme in der Karibik über dem Meer in Richtung Nordosten abdrehten und nicht in den extrem warmen Golf von Mexiko hineinzogen. Ein Grund: Das so genannte Azoren/Bermuda-Hoch lag weiter östlich über dem Nordatlantik als üblich. In diesem Fall werden Hurrikane früher in Richtung Nordosten über den offenen Nordatlantik gelenkt. In einem Fall zog der besonders starke Hurrikan Humberto sogar einen zweiten Sturm (Imelda) förmlich vom US-Festland weit auf das Meer hinaus. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen bei zwei aufeinander folgenden Stürmen den so genannten „Fujiwhara-Effekt“.
Hurrikan Melissa traf Jamaica spät in der Saison und richtete dort sehr hohe Schäden an. Melissa war schleichend durch die Karibik gezogen und hatte über dem rekord-warmen Ozean sehr viel an Kraft getankt und Zerstörungspotenzial gewonnen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass solch schwere Stürme wie Melissa durch den Klimawandel wahrscheinlicher werden.
Die Taifunsaison in Zahlen:
28 tropische Wirbelstürme, davon 17 mit Taifunstärke, entwickelten sich im Nordwestpazifik bis Ende November. Fünf wurden zu „Super-Taifunen“ der Kategorien 3-5. Damit blieb die Zahl der Stürme etwa im Rahmen der Erwartungen und den langfristigen Durchschnittswerten (1991-2020: 25/16/9). Lediglich die Zahl der Supertaifune war unterdurchschnittlich.
Auffällig an der Taifunsaison war, dass viele Stürme relativ weit südlich zogen. Dadurch wurden die Philippinen, China und Vietnam sowie angrenzende Länder häufig getroffen. Dagegen blieb das stark Naturkatastrophen-gefährdete Japan von tropischen Stürmen weitgehend verschont.
Insgesamt gingen 2025 bis Ende November 9 der Taifune an Land, davon 2 Supertaifune mit besonders hohem Schadenpotential.
Die zerstörerischsten Stürme des Jahres:
Hurrikan Melissa traf am 28. Oktober mit Windgeschwindigkeiten bis zu 295 km/h bei New Hope auf die Südküste Jamaikas. Zahllose Gebäude wurden komplett zerstört. Auch in Haiti und Kuba verursachte der Sturm schwere Schäden. Etwa 100 Menschen kamen ums Leben. Dank früher Warnungen vor dem herannahenden Sturm konnten zahlreiche Menschen evakuiert werden.
Vorläufige Schätzungen gehen von einem Gesamtschaden von knapp 10 Mrd. US$ aus. Etwa 3 Mrd. US$ dürften versichert gewesen sein, bedingt durch die relativ höhere Versicherungsdichte in den Tourismus- und Wirtschaftszentren wie der Hauptstadt Kingston.
Einer der kostspieligsten Wirbelstürme in Asien war trotz nicht sehr hoher Windstärke Taifun Matmo (auf den Philippinen Paolo genannt), der mit extremen Niederschlägen schwere Schäden in China sowie in Thailand, Vietnam und den Philippinen verursachte. Etwa 40 Menschen kamen ums Leben. Der Gesamtschaden wird auf etwa 3,5 Mrd. US$ geschätzt, der versicherte Anteil war gering.
Schwere Sturm- und Flutschäden verursachten auch Super-Taifun Ragasa (Nando) sowie Taifun Bualoi (Opong), die ebenfalls über mehrere Länder der Region zogen. Die Gesamtschäden lagen jeweils über der Milliardenschwelle, die Versicherungsdeckung war insgesamt niedrig. Auch bei den beiden jüngsten Taifunen Kalmaegi (Tino) und Fung-Wong (Uwan) im November ist von einer ähnlichen Größenordnung des geschätzten Schadens auszugehen.
Sehr ungewöhnlich war im Indischen Ozean der Zyklon Senyar, der Ende November in der Straße von Malakka zwischen Malaysia und Indonesien entstand. So nah am Äquator entwickeln sich tropische Wirbelstürme sehr selten. Senyar brachte Niederschläge von bis zu 400mm täglich mit sich. Die Überschwemmungen trafen Indonesien heftig, wo hunderte Menschen ums Leben kamen. Thailand und Malaysia waren ebenfalls stark betroffen.
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