
Matthew: Ein Sturm in drei Episoden
Hurrikan Matthew war der erste atlantische Wirbelsturm seit fast zehn Jahren, der die höchste Kategorie 5 erreichte. Auf seinem Weg durch die Karibik und in die USA hinterließ er schwere Schäden.
Schadenbilanz von Matthew

Als er Haiti und Kuba passiert hatte, schwächte sich Matthew zunächst zu einem Kategorie-3-Sturm ab, verstärkte sich jedoch am 5. und 6. Oktober auf dem Weg zu den Bahamas noch einmal auf Kategorie 4, als er erneut ein Gebiet mit sehr warmem Wasser überquerte. Die Meeresoberflächentemperaturen und die im Ozean gespeicherte Wärme lagen in diesem Bereich der Karibik nahe den Rekordmarken für diese Jahreszeit.
USA von schlimmsten Schäden verschont
Letztendlich blieb Matthew vor Florida und Georgia über dem Meer, als er sich am westlichen Rand einer Hochdruckzone voranbewegte. So wehten die stärksten Windböen auch nur über dem Wasser und verschonten die Küstenstreifen von großen Schäden. Allerdings verschärfte die küstenparallele Zugbahn die Sturmflut am Nordrand des Sturms, wo seine Zuggeschwindigkeit in Kombination mit dem Ostwind einen höheren Windstau und schadenträchtigere Wellen entstehen ließen.
Während der Sturm sich erst nordwärts und dann vor der Küste Georgias nach Nordosten bewegte, verringerte sich seine Stärke stetig, bis er gerade noch als Kategorie-1-Sturm bei Charleston, South Carolina, zum letzten Mal an Land ging. Im Gegensatz zum Wind schwächte sich das Niederschlagspotenzial nicht ab. Auf große Gebiete von South und North Carolina fielen Niederschläge von bis zu 300 Millimetern, die zu den schwersten Überschwemmungen in der Region seit Hurrikan Floyd 1999 führten. Gleich nach dem Landfall verlagerte sich Matthew allerdings nach Nordosten und verließ das Gebiet der USA bei Cape Hatteras und wurde auf dem Meer zu einem außertropischen Sturm.
Haiti: eine humanitäre Katastrophe
Haiti ist eines der ärmsten Länder der Erde. 59 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Eine lückenhafte Infrastruktur, schlechte Bauqualität und fehlende stabile staatliche Strukturen machen die Bevölkerung anfällig für jede Art von Naturgefahr. Erschwerend hinzu kommt die Zerstörung der Umwelt durch die intensive Abholzung des einst vorhandenen Regenwaldes, was die Bodenerosion beschleunigt hat.
Zerstörungen durch Sturm und Niederschläge
Große Versicherungslücke
Bahamas: dem Volltreffer entgangen

Laut den Vorhersagen sollte Matthew als tropischer Wirbelsturm der Kategorie 4–5 direkt über die Hauptstadt Nassau auf New Providence ziehen und im weiteren Verlauf die größte Siedlung auf Grand Bahama, Freeport, treffen. In den beiden Städten leben mehr als 75 Prozent der 400.000 Bahamaer. Glücklicherweise drehte der Sturm im letzten Moment nach Westen ab und verfehlte so Nassau.
Glück im Unglück

Die Bilder machen deutlich, wie viel Glück Nassau, gelegen an der Nordost-Seite der Insel New Providence, hatte. Wäre Matthew nicht um 25 Kilometer von seiner erwarteten Zugbahn abgewichen, hätten die Böen in Nassau möglicherweise 230 km/h erreicht und vielfach höhere Sturmschäden hervorgerufen. Tatsächlich erreichte der Wind in der Spitze etwa 150 km/h, was im Bereich der modellierten Windböen für Nassau lag.

Die Einwohner von New Providence und Grand Bahama hatten auch in anderer Hinsicht Glück. Zum einen lief die Sturmflut auf New Providence und Grand Bahama nur einen halben bis einen Meter hoch auf – vorhergesagt waren drei bis vier bzw. vier bis fünf Meter. Dadurch drang das Wasser maximal einen Kilometer ins Land vor. Zum anderen fielen – anders als in Haiti und Kuba – auf den Bahamas nur 100 bis 200 Millimeter Regen. Die nachfolgenden Überschwemmungen blieben daher weit unter dem, was ein Kategorie-4-Hurrikan anzurichten vermag.
Versicherter Schaden zunächst überschätzt
USA: Sturmflut und Regen als Schadentreiber

Günstige Umstände verhinderten, dass Matthew an der US-Küste sein volles zerstörerisches Potenzial entfalten konnte. Da auf der Nordhalbkugel die stärksten Winde bei einem tropischen Wirbelsturm in Zugrichtung rechts vom Auge auftreten und Matthew sich parallel zur Küste Floridas bewegte, entstanden die heftigsten Böen über dem offenen Meer. Allerdings sorgte dieses „Vorbeischrammen“ dafür, dass über 400 Kilometer von Floridas Ostküste schadenträchtigen Winden ausgesetzt war, wobei lokal durchaus Böen in Hurrikanstärke auftraten.
Schutzmaßnahmen wirken
Weniger glimpflich verliefen die von Matthew ausgelösten Überschwemmungen. Der starke Wind drückte das Meer gegen die Küste. Auf der gesamten Strecke nördlich von Cape Canaveral kam es zu Sturmfluten, zerstörerischer Brandung sowie zu Erosion. Der schlimmste Sturmflutschaden traf die vorgelagerten Inseln bei St. Augustine, wo in einigen tief gelegenen Siedlungen Gebäude mehr als einen Meter unter Wasser standen. An anderen Stellen unterspülten Sturmflut und Wellenschlag Fundamente von Häusern. Manche stürzten ein, andere mussten aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden. Insgesamt war das Ausmaß der Sturmflut an Floridas Ostküste sowohl räumlich als auch von der Schadenschwere her geringer als bei den Hurrikanen Frances und Jeanne im Jahr 2004.